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Das Ausland. 1,2.1828


üppigen Wiesen, Felder und Gärten, und indem ich der Werke ihres Fleißes gedachte, vergaß ich meine Theorien vom Staatszweck und sagte: »warum sollten wir diese Harmlosen in ihren Thälern nicht dulden? ist es ja doch nur Ruhe, die sie hier suchen.« »Ja, sagte John, mancher mag wohl sein besseres Ich aus den Trümmern der Welt in diese Einsamkeit retten, wo er unter monotonen Formen seinen Schmerz und seine Leiden vergessen lernt.«[1]


Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika.
(Fortsetzung.)

Im Gegensatz zum Thale des Nils, und zu dem von Senegambien sind in Bornu die Weiber nicht sehr fruchtbar; sie werden hier später mannbar und bringen selten mehrere Kinder zugleich auf die Welt, während in jenen Ländern Zwillingsgeburten eine sehr gewöhnliche Erscheinung sind.

Vor weniger aufgeklärten Zuhörern würde ich um Entschuldigung bitten, für die fast barbarischen, und selbst der Wissenschaft noch fremden Namen, welche ich anführen muß; vielleicht wird indessen das Interesse, welches diese Entdeckungen erregen, und besonders auch die Wichtigkeit, welche sie für Europa gewinnen können, ihnen größern Wohllaut für unser Ohr leihen. Ich übergehe mit Stillschweigen die Tibbus, Targhis, Tuariks[2] und die Tuât, denen man auf dem Wege durch die große Wüste, ehe man Sudan betritt, begegnet: die erstern kupferfarbig, den Leib tättowirt, die lebendigsten und thätigsten Menschen, und Männer, Weiber und Kinder die gewandtesten Diebe, die man kennt; die Andern kriegerisch, voll Verachtung gegen den Ackerbau, Todfeinde der Tibbus, aber, wie sie, dem Raub ergeben, und ihre Verheerungen von Kanem bis über Sakkatu hinaus verbreitend; die letzten, Herren des westlichen Theils der Sahara. Nur mit wenigen Worten will ich der Bewohner von Bornu erwähnen, der zahlreichen Völker, welche sie umgeben, und der Bewohner des Reiches Haußa. Ganz schweige ich von den Ländern, welche die Reisenden nicht mit eigenen Augen gesehen haben.

Diese Masse von Völkern läßt sich auf zwei Hauptracen zurückführen: die Urbewohner mit dunkelschwarzem, und die Araber, die den Islam in Afrika verbreiteten, mit erzfarbigem Teint. Die Nichtanhänger der Lehre des Propheten unterscheiden sich von den Mahomedanern durch ihre wilderen Sitten: z. B. die den friedlichen Bewohnern Bornu’s so furchtbaren Bidduhmainsuianer, welche ihre Nachbaren nach ihren Raubnestern entführen, um sich von ihnen Lösegeld zahlen zu lassen; oder die Kerdis, rohe Gebirgsbewohner, welche den englischen Reisenden als ursprünglich Christen bezeichnet wurden, was aber nach der schauerlichen Schilderung, die Major Denham von ihnen gibt, sehr bezweifelt werden muß. Ihre Waffen sind vergiftet; als einzige Kleidung tragen sie ein Leopardfell; ihr Körper ist bunt übermalt und ihren Kopf ziert ein Diadem von Zähnen und Knochen erschlagener Feinde.

Der Urbornuane ist furchtsam und interesselos, häßlich von Gesicht, groß von Wuchs; der Bewohner von Mandara dagegen lebhaft, verständig, mit großen Augen, und einer Adlernase: die Frauen sind auffallend schön. Im Süden des Tschadsees ist noch ein schönerer Schlag von Menschen, die zugleich scharfsinnig und geistreich sind; die Bewohner von Waday im Osten des Sees gelten für bösartig und ungastlich. Die Chuâas haben die Erzfarbe und den unbezähmbaren Muth der Araber, von denen sie abstammen; die Frauen des Landes sind schön und lieblich; ihre Tracht ist anständig, malerisch und geschmackvoll. Durch diesen Volksstamm kam das Arabische nach Bornu.

Dieselbe Erzfarbe haben auch die kriegerischen Fellâtas, die einer eigenthümlichen Race angehören. Von Mandara bis Dschenni am Dioliba dehnen sie sich über eine Fläche von 400 Lieues aus. In Haußa ist die Bevölkerung dichter und belebter; die Frauen zeigen einen Grad von Nettigkeit und Feinheit, welche die Reisenden an die Landbewohnerinnen in der Gegend von London erinnerte.

Das Tättowiren ist allgemeine Mode von den Ufern des Tschadsees bis zu den Grenzen Haußa’s: es besteht in Einschnitten im Gesichte, auf der Brust und auf den Armen und Beinen. Bizarrer ist die Sitte, die am Bornuanischen Hofe herrscht: man kann hier keine Stelle bekleiden, ohne daß man einen unverhältnißmäßigen Bauch hat; glücklicher Weise ist es aber den Höflingen erlaubt, die Kunst zu Hülfe zu nehmen, wenn ihnen die Natur die zur Hoffähigkeit erforderliche Portion Bauch versagt hat.[3]


  1. Apostaten der Schäkers haben hie und da nachtheilige Gerüchte gegen ihre Sittlichkeit ausgesprengt; daß sie aber ungegründet sind, geht schon aus der allgemeinen Achtung hervor, deren die Sekte genießt. Sie hat, außer der angeführten, noch mehrere Niederlassungen im Ohiostaate.
  2. Die Tuariks sprechen eine besondere Sprache, die gleich verschiedenen Mundarten des Atlas viel berbersche Worte enthält. Alle diese Dialekte scheinen von einer uralten Sprache zu stammen, welche Lybien eigenthümlich war, und deren Trümmer man in dem ganzen nördlichen Afrika wieder findet: sey es nun, daß sie durch die Zerstreuung eines und desselben Volkes verbreitet wurde, sey es, daß die Vermischung der Völker Sudans, der Einbruch der Araber und der Mauren, und andere noch ältere Ereignisse auf diese Sprache ihren Einfluß geübt haben.
  3. Der Bornuanische Hofmann macht sich weder einen cul de Paris, nach falsche Schenkel und Waden, sondern einen falschen Bauch, und braucht zu diesem Zweck vielleicht ein Duzend Hemden; ein seltsamer Anblick – diese dicken Ungeheuer auf Stelzbeinen mit bis zum Ersticken vermummten Gesichtern. Eben so sonderbar ist die Sitte der Bornuanen, ihrem Souverän bei Audienzen den Rücken zu bieten, indem sie es für einen Mangel an Lebensart halten, wenn man Jemand, mit dem man spricht, ins Gesicht sieht.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_033.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)