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Das Ausland. 1,2.1828

sich die Schergen gegen die Gefangenen erlaubten, und wie der Patriarch selbst den Schlausten unter ihnen Nasen zu drehen wußte, wird gar anmuthig von dem geübten, talentvollen Schriftsteller erzählt.

In dem sogenannten Gefängnisse in Mailand hatte Hr. Wit Gelegenheit, die Humanität des Grafen Bubna kennen zu lernen. Wem der Edelmuth dieses Mannes nicht fremd ist, wird nur bedauern, daß sein Lob hier nicht von einem unverdächtigeren Organ ausgesprochen wurde.

Außer den Nachrichten über die erwähnten Gegenstände und außer einigen Schilderungen in Casanova’s berüchtigter Manier, liefern diese Denkwürdigkeiten auch declamatorische Aufsätze, welche Moral und Religion dem Menschengeschlecht empfehlen sollen. Wie diese Fragmente des Wit’schen Geistes sich hier eingeschlichen, scheint nicht ganz klar zu seyn. Wir wagen indessen eine Hypothese. Herr Wit, der in Wien war, sah dort vielleicht das Schild eines Hauses, welches die Ueberschrift führt: „Wo der Wolf den Gänsen predigt.“ Möglicherweise konnte ein solcher Spruch ihn in Begeisterung setzen, woraus dann seine Homilien entstanden. Der alte erhabene Entschluß, alle Parteien zu täuschen, um ihr allgemeiner Vermittler zu seyn, konnte wieder in ihm erwachen, so daß er den Bilderkram seiner Moral und seiner Religion einmal den Gänsen, und ein andermal den Jesuiten vorweisen wollte, – jenen, um ihnen die Federn für den Fall künftiger Gefangenschaft auszureissen, diese, um ihnen ein anch’io son pittore zuzurufen. Ist er doch ein Verwandter des Hrn. v. Eckstein – dieser Stützsäule der Gesellschaft Jesu, die in ihrer Universalität jedes Talent zu benützen wissen wird.

Was wir hier über das Buch des Herrn Wit gesagt, ist an unsere Leser, nicht an seine Person gerichtet. Wollten wir ein ernstes Wort, aufs Ungewisse des Erfolgs, in einer Rede an ihn wagen, so wäre es der ehrliche Rath: im eigenen Herzen, nicht im Publikum seinen Beichtstuhl aufzuschlagen; über seine Verirrungen in stiller Sammlung nachzudenken; sich von aller Vermittelung, so wie von aller politischen Anmaßung keusch und rein zu halten; bei den Wissenschaften Trost und Stärkung zu suchen, und die Geschichte gründlich zu studiren – nicht in prahlerischen Staatsgefängnissen,[1] sondern im bescheidenen eigenen Cabinet, wo allein des jungen Mannes Erziehung gelingen, wo sie vollendet werden kann.



Die transatlantischen Staaten und Colonien, am Schlusse des Jahres 1827.

(Fortsetzung.)
3.

Die russischen Besitzungen an der Nordwestküste, im Besitze der russisch-asiatischen Handelsgesellschaft zu St. Petersburg, eine Strecke von 350 deutschen Meilen, am nördlichen Theile des großen Ocean, mit etwa 6000 russischen Unterthanen, und mit vielen unabhängigen tapfern Wilden, sind, durch den Vertrag mit Großbritannien vom Februar 1825, bis zum 54’ 40’ N. B. beschränkt, und auch die vom Gouverneur Baranow gestiftete Niederlassung, Slavinska Roß, an der Hyerba-Bay in Ober-Californien, wo die Russen Grenznachbarn der Mexikaner waren, wurde im J. 1826 verlassen. Der sonst so wichtige Seeotterfang hat, wegen der vielen Mitbewerber, sehr abgenommen; die Kauffahrer der Vereinigten Staaten, bei den Urbewohnern viel beliebter als die Russen, spielen dort die Hauptrolle; sie besuchen, von der Nordwestküste ab, alle ostasiatischen Häfen, wo sie allenthalben freundliche Aufnahme finden; ihre Geschäfte sind ungemein bedeutend, weil die Kapitäne aller dieser Schiffe (jährlich mehrere hunderte), nach Art der alten Merkatoren, diese kommerciellen Erdumseglungen, mit Ausschuß des Caschelot- und Wallfischfangs in der Südsee, wo keine Klippe, keine umeiste Insel ihnen unbekannt bleibt, für eigene Rechnung betreiben. Selbst die Britten fühlen sich von diesen unternehmenden Nordamerikanern überflügelt.


4.

Die Union der vereinigten Staaten, 174,300 ☐ M., 1820 mit 10 Mill. jetzt gewiß über 14 Mill. Einwohner, besteht aus 24 Staaten (Michigan war im Sept. 1827 noch Gebiet) und 5 Gebieten (Territories). Nirgend offenbart sich der Vortheil einer Föderal-Regierungs-Verfassung für amerikanische Völker so anschaulich, als in diesem beispiellos schnell emporblühenden Lande, dessen Finanzeinrichtung und Staatenverwaltung wirklich musterhaft sind. Nirgend in der Welt kostet die Regierung weniger, als dort. – Die Religionsduldung trägt die herrlichsten Früchte, und zugleich herrscht, vornämlich in den östlichen Staaten eine Religiosität bei allen Sekten, die um so verdienstlicher ist, da in dieser Rücksicht die Regierung Jeden gewähren läßt. Die Römisch-Katholischen, die in Städten, wie Baltimore, prachtvolle Kirchen besitzen, verbreiten sich auch in die westlichen Staaten, wo durch die Mildthätigkeit des Königs von Frankreich, Ludwig XVIII, zu St. Louis am Missouri ein neues Gotteshaus erbaut ist. Die Jesuiten, dort höchst wohlthätig einwirkend, haben zu Bairdtown im Staate Kentuky ein blühendes Seminar. Daß die bevorstehende Präsidenten-Wahl, (wo eine starke Partei sich für den hochverdienten General Jakson, den Erretter von New-Orleans im Januar 1814 gegen den Angriff der Britten unter dem General Packenham, erklärt, und den jetzigen Präsidenten, einen Mann von europäischer Sitte, John Quincy Adams, von dieser Stelle entfernt wünscht), ernsthafte Ruhestörung erwecken sollte, ist nicht wahrscheinlich. In Rücksicht der auswärtigen Angelegenheiten befolgt die Unions-Regierung eine weise Mäßigung, behauptet sich in kommercieller Rücksicht mit musterhafter Standhaftigkeit gegen das mächtige Großbritannien, vornämlich, um den lebhaft erwachten industriösen Unternehmungsgeist der eigenen Bürger zu fördern, der, durch die sinnvollsten Erfindungen unterstützt, so herrliche Früchte trägt, daß die amerikanischen Manufakturen und Fabrikwaaren bereits mit den brittischen in Südamerika, in Mexiko und auf Cuba, nicht ohne Erfolg, wetteifern.

(Die Fortsetzung folgt.)

Miscelle.



Ein junger französischer Mahler, L. Dupré, der vor einigen Jahren Griechenland durchreiste, sprach Veli, den Statthalter von Thessalien, welcher, auf Napoleons Kaiserregierung hinweisend, äusserte: „Damals machten in Griechenland ein französischer Barbier mehr Aufsehen als jetzt ein Gesandter.“

(Revue encyclop. Nov. 1827 )
  1. Hr. Wit nennt sich in seinen Lukubrationen einen Staats-Gefangenen in Friedrichsort, da er doch bekanntlich, wegen Polizeivergehen, in dieser Stadt nur unter polizeilicher Aufsicht stand.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_027.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)