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Das Ausland. 1,2.1828


mein theurer College, und Ihr Benehmen erinnert mich an das Benehmen eines unsrer Herren, welcher dem Mann seiner Maitresse einen Platz als Spion verschafft hat, weil …

Der Chef, Es handelt sich um die Geschichte Napoleons, meine Herren; beschränken wir uns auf unsern Gegenstand, wenn es Ihnen gefällig ist. Ich widersetze mich mit allen meinen Kräften den Artikeln und Bekanntmachungen, welche dieses Werk betreffen. Das Buch ist gefährlich, weil die Thatsachen darin wahr sind; unmoralisch, weil es Lobsprüche auf die kaiserliche Verwaltung enthält, welche eben so viele Kritiken auf die Handlungen des jetzigen Ministeriums sind; gegen die öffentliche Ruhe, weil es einen Sohn der Revolution als einen großen Mann rühmt. Ich hoffe, daß Keiner von Ihnen etwas gegen meine Ansicht einzuwenden hat: also …

Sechster Censor. Aber, mein Herr, Sie machen uns ja lächerlich.

Der Chef. Mich dünkt, daß Sie dafür bezahlt sind, und wenn Sie glauben, noch Bedenklichkeiten haben zu dürfen, so nimmt Monseigneur Ihre Entlassung an.

Sechster Censor. Das ist eine Tyrannei.

Der Chef. Ich bitte Sie, kein aufrührisches Gerede im Innern des Ministeriums.

(Schluß folgt.)

Mémoires de Madame de Campestre etc. – Mémoires d’une Contemporaine etc. – Johannes Wit, genannt von Dörring. Fragmente etc.

(Schluß.)


Gegen ein anderes Ziel strebt die deutsche Schrift des Herrn Wit. Wir beginnen mit einer Bemerkung über ihre Tendenz, weil, bei der Vielseitigkeit, die Hr. Wit an sich zur Schau auslegt, von unaufmerksamen Lesern leicht sein Zweck mißkannt und dadurch der eigentliche Charakter des Buches übersehen werden könnte. Nicht die Höfe, nicht die große Welt mit ihren Sitten will der Verfasser schildern; nur sein kleines Ich soll, als groß gezogen in den dämagogischen Umtrieben, in der Absicht dargestellt werden, damit das Publikum die revolutionären Sekten und ihren Zögling, der zugleich ihr Vermittler und Bändiger seyn wollte, als gleichmäßig bedeutende Erscheinungen der Zeit ansehen möchte. Endlich soll auch der Held dieser romantischen Memoiren, der sich selbst anklagt, alle Parteien verrathen zu haben, dadurch in seiner Brauchbarkeit für gewisse Zwecke ins möglichst günstige Licht gestellt werden. – Man dürfte glauben, ein solcher Zweck und ein solcher Gegenstand wären wenig geeignet, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; indessen kann nicht geläugnet werden, daß Hr. Wit einen eigenen Zauber des schriftstellerischen Talents über seine Arbeit zu verbreiten gewußt, so daß der gefesselte Leser gern die Tendenz des Buches vergißt, und es mit einer Art Heißhunger verschlingt. Es ist Leben und Bewegung in der Schrift, und diese Bewegung ist gewöhnlich so rasch, daß der Leser sich nicht Zeit nimmt, über den Charakter des Wortführers der Unterhaltung ernsthaft nachzudenken. – Doch, wir dürfen voraussetzen, daß viele unserer Leseer bereits mit den interessanten Fragmenten des Hrn. Wit bekannt sind, und es daher nicht Noth thut, den eigentlichen Reiz dieser Lectüre zu analysiren. Wir wollen daher nur einzelne Andeutungen und Bemerkungen vorlegen, deren Zusammenhang mit einer ernsten Würdigung der Schrift und ihres Verfassers übrigens klar seyn wird.

Hr. Wit, der selbst in der Herausgabe seiner Fragmente eine gewisse Verkehrtheit nicht los werden kann, fängt mit dem zweiten Theile an, und verspricht den ersten nachzuliefern, weil ihm die dazu nöthigen Papiere noch vorenthalten würden. Warum wartete er nicht, bis diese Papiere beisammen waren, mit der Bekanntmachung des Ganzen? War periculum in mora? Vielleicht. „Ich will,“ sagte er, „dem Publiko den Beweis geben, wie die Regierungen das vollkommenste Recht hatten, wenn sie von Gefahr sprachen.“ Bei einem längeren Schweigen also konnten seine Beweise für abgetragene Trödelwaaren angesehen werden. – „Allerdings,“ fährt er fort, „gab es eine nicht unbedeutende Partei, welche einen Umsturz des Bestehenden, so durch Gewalt, wie durch List, herbeizuführen strebte, und an und für sich vielleicht gar lobenswerthe Einrichtungen, wie Turnen und Burschenschaft, zum verderblichen Zwecke mißbrauchte. Das Treiben dieser Leute, mit denen ich Jahrelang gemeinsame Sache gemacht habe, und die ich an Exaltation noch zu überbieten trachtete, will ich unumwunden darlegen.“ – Das Publikum hat bis zum Ueberdruß viel von dem Treiben dieser Leute lesen müssen, ohne über das Wesen ihrer Wirksamkeit klar zu sehen, und ohne ihre Bedeutsamkeit zu begreifen. Wer wird also nicht begierig seyn auf die versprochene Auskunft? Daß Hr. Wit sie geben konnte, möchte man aus mehreren Stellen schließen. „Mein Treiben in Paris,“ sagt er, „war zu jener Zeit ein höchst verdammliches; ich war mir selbst unklar geworden, stand mit den Häuptern aller Parteien in naher Berührung, und keine sagte mir zu. Ich wähnte mich stark genug, alle für meine Plane benutzen zu können, und bedachte nicht, wie ich, durch dieses anscheinende Eingehen in die entgegengesetztesten An- und Absichten, nach und nach alle Selbstständigkeit und den festen innern Halt verlor.“ – Schade! – „Um diese Zeit, im Sommer 1820, traten die deutschen Revolutionäre, durch ihren Abgesandten, den Professor Follenius, und unter meiner Beiwirkung in nähere Verbindung mit den Franzosen und Italienern. Ich theilte keines Weges ihre Ansichten; allein noch minder die der Regierungen, und glaubte so, Alles kennend, im Falle des Ausbruchs als Vermittler auftreten zu können.“ – Hört! hört! – „Ich arbeitete dahin, in allen Parteien und Secten, diesen selbst unbewußt, eine gemäßigte Partei

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_025.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)