Seite:Das Ausland (1828) 023.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828


vielleicht nicht weniger, als der Dichterruhm, der ihm voranging, der Geist, der aus seinen Worten sprach, und die Seele, das tiefe, liebevolle Gemüth, welches in süßen Klängen seine Lieder hauchten. Zwar war Lucrezia bereits ein und dreißig, Leonora dreißig Jahre alt, als Tasso beide sah; aber in Italien, wo die weibliche Schönheit früher erblüht, als in unserm Norden, scheint dieselbe, durch eine seltene Gabe des Himmels, zugleich auch dauernder zu seyn: nicht selten begegnet man Frauen, die mit vierzigen noch schön genannt zu werden verdienen, und neben der Tochter reizt oft nicht weniger die Mutter. Mehrere Dichter dieser Zeit preisen die Schönheit und Anmuth der Prinzessinnen; und der Erbprinz von Urbino, dem die ältere von seinem Vater zur Gemahlin bestimmt wurde, stand von seiner Weigerung ab, sobald er sie gesehen hatte. Auch auf Tasso, dessen glühende Seele jeden Gegenstand, den sie berührte, mit Liebe umfaßte, machten die schönen Schwestern einen Eindruck, dessen Wahrheit der scharfe weibliche Blick leicht von dem erheuchelten bei ihrem gewöhnlichen Höflingen unterscheiden mußte.

Daß dieß Gefühl, wenn auch Liebe, doch nicht jenes leidenschaftliche Streben nach dem Besitz eines Gegenstandes war, das man gewöhnlich Liebe nennt, würde von Niemand bezweifelt worden seyn, wenn reine Neigung nicht eben so selten wäre, als eine reine Seele. Die wahre Liebe ist nur Erkenntniß der geistigen Schönheit in der Hülle der schönen äußern Form, nur geistige Vermählung ist ihr Streben; und arm müßte der Geist seyn, der auf der ganzen weiten schönen Welt nur Ein Wesen als schön erkennen, nur mit Einer Seele die Vereinigung der seinigen wünschen sollte. Ob zu der geistigen Liebe auch die sinnliche treten soll, die viel öfter jene als fremdartiges Schmarotzergewächs zerstört, als daß sie – der Zauberrose gleich, die aus der Lilie erblühte, – aus derselben hervorginge, hängt von zufälligen Umständen ab, die zwar nicht immer in der Gewalt des Menschen stehen, aber auch nie über ihn jene unwiderstehliche Gewalt üben, die man aus Läßigkeit so gern sich einbildet. Warum sollen wir Tasso nicht glauben, wenn er in einem Lied an Leonore singt:

Und als vor meinem Aug’ am ersten Tag
Die schöne Heitre deiner Stirn erschienen,
Und Liebe sich in Waffen glänzend wies;
Bezähmte da nicht Ehrfurcht mein Erkühnen,
Schuf Staunen nicht die Brust in kalten Kies,
Gewiß, daß ich zweifachem Tod’ erlag;
Doch auch der Stein, als er die Wirkung fühlte
Der Strahlen und der Gluth in sich, erschrak.[1]

Schon der Umstand, daß Tasso seine Neigung zwischen beiden Prinzessinnen so gleichmäßig theilte, als sie von beiden gleichmäßig, wenn nicht erwiedert, doch geduldet und begünstigt wurde, hätte als Beweis gelten sollen, daß diese Liebe zu keiner von beiden einen sinnlichen Charakter trug. Außerdem war Leonora, auf welche ihre klösterliche Erziehung tiefern Einfluß zurückgelassen zu haben schien, als auf ihre Schwester, fast beständig krank und Lucrezia nach einigen Jahren durch ihre Vermählung mit dem Prinzen von Urbino, von Ferrara entfernt. – Wenn wir dennoch finden, daß sich vielleicht schon bei dem Leben der Prinzessin und in Ferrara selbst die Sage verbreitete, daß Tasso mit Leonora in einem geheimen Liebesverständniß gestanden; so wird dieß nur dadurch erklärt, daß der Dichter, nach der Entfernung der ältern Schwester seine Bemühungen verdoppelte, sich die Gunst der jüngern zu erhalten, welche, wie sie überhaupt zurückgezogener war, so auch gegen ihn kälter gewesen zu seyn scheint; und daß man nach jener Entfernung Lucrezia’s Tasso’s früheres Verhältniß zu ihr allmälig aus dem Gesicht verlor.

Zur Beglaubigung der Sage in spätern Zeiten, wo dieselbe fast allgemein verbreitet war, trug wahrscheinlich am meisten die Mühe bei, die sich der Hof von Ferrara gab, jede Anspielung darauf zu unterdrücken; wodurch die Sache natürlich nur an Wichtigkeit gewann. So wurde ein Roman, in dem Girolamo Brusone die Liebe Tasso’s mit der Prinzessin Leonora von Este kleidete, auf die Verwendung des Hauses Este streng verboten und der größte Theil der Auflage in Venedig mit Beschlag belegt; die einzige Folge davon war, daß das Buch um so begieriger gesucht und sein Inhalt um so fester geglaubt wurde.[2]

(Fortsetzung folgt.)

Miscelle.

Lebris, ein ehemaliger Soldat von der Vendee-Armee, wurde kürzlich vor das Tribunal der Zuchtpolizei einer kleinen Stadt gebracht, weil er öffentlich gerufen hatte: Es lebe der Kaiser! Mehrere Zeugen sagten aus: Er habe zweimal: es lebe der König! und das drittemal, nur aus Versehen, es lebe der Kaiser! gerufen. Der gewissenhafte Vendeer widersprach indeß, indem er erklärte: allerdings habe er absichtlich, es lebe der Kaiser! gerufen, aber nur um dem König größere Ehre zu erweisen; denn er habe gehört, daß Kaiser mehr sey als König. – Das Tribunal beschied ihn, daß es ihm nicht zustehe, dem König eine Standeserhöhung zu ertheilen, und entließ ihn, da er sonst als guter Royalist bekannt war.

(Gazette des Tribunaux.)



Worte zu wiederholen. Er lachte selten, nicht laut und eben nicht angenehm. Sein Kinn war viereckt, der Bart dicht, und von einer Farbe, die – wie wir gesagt haben – dem Kastanienbraunen nahe kam. Sein Hals war lang und dick und hielt den Kopf erhoben; Brust und Schultern breit, die Arme lang, nervig und gewandt; die Hände ziemlich groß, aber zart und weich, und die Finger so, daß sie sich leicht nach oben bogen. Die Beine und Füße waren lang und von groben Verhältnissen, aber mehr nervig, als fleischig, und eben so war auch der ganze Rumpf, obwohl im Verhältniß zu der Größe vollkommen genug, mit wenig Fleisch bedeckt. Alle seine Gliedmaßen waren so gewandt, daß er in allen ritterlichen Uebungen große persönliche Tapferkeit zeigte, indem er im Fechten, Reiten und Turnieren vor Keinem zu weichen brauchte. Aber dennoch machte er alle diese Bewegungen mit mehr Geschicklichkeit als Anmuth; daher man bei ihm die natürliche Lebendigkeit in so hohem Grade vermißte, als ihm die geistige eigen war.

  1. E certo il primo di, che ’l bel sereno
    Della tua fronte agli occi miei s’ offerse,
    E vidi armato spaziarvi Amore,
    Se non che riverenza allor converse
    Emeraviglia in fredda selce il seno,
    Ivi peria con doppia morte il core:
    Ma parte degli strali e dell’ ardore
    Senti pur anco entro ’l gelato marmo.

  2. La Gondola a tre remi. Venez. 1662. 12.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_023.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)