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Das Ausland. 1,2.1828

Bleechy befand sich fast um dieselbe Zeit in Kotzebue’s Inlet und drang 351/2 geogr. Meile östlich vom Eiskap (Icy Cape 215° L.) etwa bis zum 220° L. vor. Da nun Capitän Franklin die Gegend des 227° d. L. erreichte, und der Grad der Länge unter dem 69°–70° N. Br., wo beide schifften, nur 5" geogr. Meilen mißt, so waren die Entdecker höchstens noch 30 geogr. Meilen von einander. Der vollendete Erfolg der Unternehmung ist also künftigen Entdeckern vorbehalten. Daß die Auffindung einer nordwestlichen Durchfahrt nur in wissenschaftlicher, nicht aber in mercantilischer Beziehung Nutzen schaffen könne, hat jene Reise aufs Neue bestätigt. Merkwürdig für die Völkerkunde ist die Anknüpfung des Verkehrs mit sehr muthigen Eskimoeshorden, welche den Reisenden durch kecke Angriffe lästig wurden. Die ganze nördliche Küste der Mündung von dem Lancaster-Sunde im Osten bis zur Ausfahrt der Behringsstraße an der Nordwestküste, ist jetzt, mit Ausnahme der erwähnten kleinen Strecke, für die Erdkunde erobert, und dort fanden die Reisenden allenthalben das Küstengewässer offen, wenn auch wegen des Treibeises und der starken Nebel schwierig zu beschiffen. Folglich erscheint die ganze Westveste als ein ungeheures Inselland, welches mit Asien nirgends unmittelbar zusammenhängt.

Räthselhaft bleibt noch das Polarland im Nordosten der Straße Davis und im Norden des Baffin’s Busens, welches schon Englands große Königin, Elisabeth, höchst bedeutungsvoll: Meta incognita, nannte, und welches man gemeinhin unter den Namen: Grönland begreift. Fast sechshundert Jahr früher als Colombo’s India occidentalis den Europäern bekannt und von Island aus colonisirt, möchte es fast gerathen scheinen, diese nördliche Polarwüste, wahrscheinlich eine weit verbreitete Inselgruppe, als abgesondert von der Westveste und für sich zu betrachten. – Die daselbst auf der westlichen Seite bestehende königliche dänische Colonie bildet gleichfalls an sich, als Wohlthätigkeits-Colonie zur Bekehrung und Verpflegung der armen Eskimoes, eine eigene Classe; sie kostet der Krone Dänemark nur Opfer; den beiden Verpflegungs- oder Handels-Inspectoren – einer für den nördlichen, der andere für den südlichen Theil, – ist zugleich die obrigkeitliche Vollmacht übertragen. Die evangelischen Brüder haben hier 14 Missionen. Die Hauptmissionen und Colonien sind im Nordertheil – Egedesminde, Jacobshavn und Umanack; im Südertheil: Juliane’shaab und Frederickshaab; Holstenborg und Sukkertoppen und Godhaab. Die Colonien befanden sich im September 1827 in einem blühenden Zustande; der Wallfisch und Robbenfang, so wie die Eiderdunen-Lese war reichlich ausgefallen; in Kopenhagen ward eine neue Kirche gezimmert und zu Schiffe dahin gebracht.

2.

Auf der Westveste selbst besteht eigentlich nur Eine Colonialmacht, die der Briten, als vornehmste Seemacht überhaupt am fähigsten, Colonien und abhängige Lande (Dependencies) in allen Regionen der Erde zu behaupten, aber nicht sowohl durch Gewalt, als durch eine weise Regierung, welche die Dependentien dergestalt für sich zu gewinnen weiß, daß die Mehrzahl der Einwohner aufrichtig für die Fortdauer der Abhängigkeit stimmt. Dieß gilt vorzugsweise von dem britischen Nordamerika, ein großentheils culturfähiges Land, 160,000 geographische ☐ Meilen groß, welches sich mittels der innern wald- und seenreichen Wildnisse bis ans Nord-Polar-Meer erstreckt, wo die Hudsonbusen- und Montreal-Gesellschaften einen ungemein einträglichen Pelzhandel treiben, der jetzt auch wegen des Bibergeils (castoreum) wichtig wird, wovon schon Sendungen nach Hamburg gelangten, welche sich in Rücksicht der Qualität weit besser bewähren, als die früher von dort hergebrachten Sorten – ein erheblicher Umstand, weil dieses wichtige Heilmittel jetzt in Rußland so selten wird. Es wirkt aber dieser Pelzhandel so verheerend auf die dortigen Urbewohner, daß Indianer-Stämme, welche von früheren Reisenden als ziemlich zahlreich angemerkt sind, fast nur noch dem Namen nach, und als die erbärmlichsten, den scheuslichsten Lastern ergebenen Miethlinge vorhanden, fortvegetiren. Diese Pelzhändler verscheuchen und mißhandeln die Indianer nicht, locken sie vielmehr an sich, aber vergiften sie durch die Mittheilung des von den Indianern selbst sogenannten Tollwassers (Branntweins), um wohlfeilen Handel schließen zu können, der sich sogar auf ihre Weiber und Töchter erstreckt; und es herrscht unter jenen Händlern der schändliche Grundsatz: „Wenn der rothe Mann nüchtern ist, so ist er nur zu klug!“ In den Gegenden, wo die Wilden völlig ausgerottet sind, treiben Wildschützen und Wildfanger die Jagd, und dieß ist für die Gesellschaften um so ersprießlicher.

Die Gouvernements des britischen Nordamerikas sind: 1) Nieder-Canada, Hauptstadt Quebeck; 2) Ober-Canada, Hauptstadt York; (in Ein General-Gouvernement der Canadas vereinigt.) 3. Prinz Edwards Island im St. Lorenz Busen, Hauptort Charlottetown; 4) New Brunswik, Hauptort Frederiktown; 5) Nova Scotia, Hauptstadt Halifax, ein höchstwichtiger Kriegshafen; 6) Die Insel New-Foundland, Hauptstadt St. Johns; 7) die Bermudas-Inseln im atlantischen Meere, Haupthafen St. George, (die älteste geheime Wiege der britischen Obmacht in den amerikanischen Gewässern.)

Dieses britische Nordamerika, welches wegen des Absatzes britischer Producte und Waaren, die von dort auch als Schleichwaare in die vereinigte Staaten Eingang finden, immer wichtiger wird, gewinnt als Armen-Colonie für das britische Inselreich gegenwärtig eine merkwürdige Bedeutenheit. Die Bevölkerung der Vestländer wächst schnell durch die von der Regierung auf’s thätigste beförderte Einwanderung, hauptsächlich aus Ireland. Diese betrug nach dem einzigen Hafen Quebeck von der Eröffnung der Schifffahrt bis zum 29. September 1827: 28,969 Köpfe. Die gesammte Verproviantirung der Stockfisch-Insel New-Foundland hat jetzt die britische Regierung einigen Kaufleuten in Hamburg übertragen. Diese liefern zu Preisen, wofür die Handelsleute in England, Ireland und Canada diese Artikel nicht liefern können: Salzfleisch, Brod, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Butter, Schinken, Schuhe, Strümpfe etc. in kleinen Schiffen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_010.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)