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immerhin zugeben, daß gegenüber den Vortheilen, welche ein mäßigerer Anschaffungspreiß gewährt, unter gewissen Verhältnissen auch eine weit geringere Amortisationsfrist noch immer lohnend sein könne. Dabei wird überdies, wenn von der Dauer und Haltbarkeit der Kette die Rede ist, nicht nur der Zeitpunkt, in welchem dieselben sich vollständig abnützen, sondern auch ihr zwischenseitiges Verhalten gegenüber den Einflüssen, welche eine raschere Zerstörung, respective einen Bruch herbeiführen, in Betracht zu ziehen sein.

In dieser Beziehung ist

d) die Sicherheit des Schiffszuges offenbar durch das Drahtseil besser gewahrt, als durch die Kette, da die mangelhafte Anfertigung eines einzelnen Gliedes der letzteren oder ein gewaltsames Einklemmen an den Vorsprüngen steiniger Flußsohlen einen plötzlichen Kettenbruch nach sich ziehen kann; wogegen beim Kabel unter ähnlichen Umständen doch stets die größere Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß nicht alle Fäden gleichzeitig reißen, sondern die Schiffsleute im Stande sein werden, eintretende Schäden rechtzeitig zu entdecken und zu beheben. Ist dagegen ein Bruch thatsächlich eingetreten, dann wird

e) die Reparatur, d. i. die Wiedervereinigung der getrennten Theile nach dem Auffischen derselben, bei der Kette durch Einfügung eines der in Vorrath gehaltenen sogenannten Reserveglieder leicht und rasch bewirkt werden können, während das Splissen eines gerissenen Kabels immer einen größeren Zeitaufwand und auch eine größere Gewandtheit des damit betrauten Schiffspersonales voraussetzt; daher in dieser Beziehung das Seil der Kette augenscheinlich nachsteht.

Einen weiteren, bei der Vergleichung beider vorzugsweise maßgebenden Factor bildet

f) das Gewicht. Dasselbe beträgt bei dem Drahtseile auf der Maas 21/4 Kilogramm pr. laufenden Meter, wogegen eine Kette von gleicher Widerstandsfähigkeit das Dreifache und darüber wiegen würde. (Die allerdings auf eine größere Spannung berechnete Kette für die Elbe zwischen Magdeburg und Schandau ist sogar bei einer Gliederstärke von 7/8" pr. sächsischen Fuß Länge mit 7,1 Zollpfund, also pr. Meter mit circa 121/2 Kilogramm veranschlagt.)

Dieser bedeutende Gewichtsunterschied hat zur Folge, daß das leichtere Seil von der Zugsmaschine unter einem weit spitzeren Winkel aus dem Wasser gehoben wird, als die wegen ihrer Schwere von den Rollen steil abfallende Kette, und daß daher auch der Verlust an Zugkraft, welcher durch die schiefe Richtung des Zuges bedingt wird und zunimmt, je mehr die letzte von der Horizontalen abweicht, beim Seile weit geringer ist als bei der Kette.

Das Seil wird deßhalb auch in Flüssen mit großen Tiefen der Kette entschieden den Rang abgewinnen und selbst dort noch mit Vortheil verwendet werden können, wo die Kette bereits unpracticabel wird.

Die größere Leichtigkeit des Seiles gestattet ferner, daß die Geschwindigkeit der Schiffsbewegung bis zu einem Maße gesteigert werden kann, welches bei Anwendung der Kette nicht mehr zulässig ist — und erleichtert die Steuerung des Schiffes, durch deren Hilfe es wieder möglich wird, einem von der Seil-, so wie von der Kettenschifffahrt unzertrennlichen Uebelstande leichter abzuhelfen, nämlich das durch frühere Befahrungen seitwärts geschobene Seil in seine ursprüngliche Lage zurück zu versetzen.

Gegenüber diesen Vortheilen macht sich jedoch auch der Nachtheil geltend, daß das Seil, eben weil es mit einer sanfteren Neigung als die Kette aus dem Flusse emporgehoben wird, auch in einer größeren Distanz vor dem Toueur aus dem Wasser