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u. s. w. schön gefärbt und geformt. Die Farben sind dem Anscheine nach in den meisten Fällen von keinem Nutzen als Schutzmittel; sie sind wahrscheinlich wie in den niedrigsten Classen das directe Resultat der Beschaffenheit der Gewebe; und die Formen und die Sculptur der Schale hängt von der Art und Weise ihres Wachsthums ab. Die Menge von Licht scheint bis zu einem gewissen Maasse von Einfluss zu sein; denn obgleich, wie mir Mr. Gwyn Jeffreys wiederholt bestätigt hat, die Schalen mancher in grösster Tiefe lebender Arten glänzend gefärbt sind, so sehen wir doch im Allgemeinen, dass die untern Schalenflächen und die vom Mantel bedeckten Theile weniger hell gefärbt sind als die obern und dem Lichte ausgesetzten Flächen.[1] In manchen Fällen, wie bei Schalthieren, welche mitten unter Corallen oder hell gefärbten Meerpflanzen leben, dürften die hellen Farben als Schutzmittel dienen.[2] Aber viele der Nudibranchier oder nackten Seeschnecken sind ebenso schön gefärbt wie irgendwelche Schneckenschalen, wie in dem prachtvollen Werke der Herren Alder und Hancock nachgesehen werden kann; und nach einer mir freundlichst von Mr. Hancock gemachten Mittheilung ist es äusserst zweifelhaft, ob diese Farben gewöhnlich den Thieren zum Schutze dienen. Bei einigen Arten mag dies wohl der Fall sein, wie bei einer, welche auf den grünen Blättern von Algen lebt und selbst schön grün gefärbt ist. Aber viele hellgefärbte, weisse oder in anderer Weise auffallende Species suchen kein Versteck; während andererseits einige gleichmässig auffallende Species, ebenso wie andere düster gefärbte Arten unter Steinen und in dunklen Höhlungen leben. Offenbar steht daher bei diesen nudibranchen Mollusken die Färbung in keiner innigen Beziehung zu der Beschaffenheit der Oertlichkeiten, welche sie bewohnen.

Diese nackten Seeschnecken sind Hermaphroditen; trotzdem paaren sie sich aber, wie es auch die Landschnecken thun, von denen viele ausserordentlich nette Schalen besitzen. Es wäre wohl denkbar, dass


  1. Ich habe ein merkwürdiges Beispiel vom Einfluss des Lichts auf die Färbung einer sich verzweigenden Incrustation gegeben (Geolog. Observation on Volcanic Islands. 1844, p. 53). Dieselbe war vom Wellenschlag an den Uferklippen der Insel Ascension abgelagert worden und war gebildet aus der Lösung zerriebener Muschelschalen.
  2. Dr. Morse hat diesen Gegenstand neuerdings in seinem Aufsatze über die adaptive Färbung der Mollusken erörtert; Proceed. Boston Soc. of Nat. Hist. Vol. XIV. April. 1871.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/360&oldid=- (Version vom 31.7.2018)