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Alles, was durch das Gesetz bestimmt werden kann, keineswegs dem Richter überlassen werde. Und dies muß aus Besorgniß vor der Begierde geschehen, welche die menschlichen Gemüther leicht von der Bahn abführt. Wo also kein Wunsch möglich ist, da kann auch keine Begierde sein; denn nach Wegräumung der Gegenstände, müssen auch die Leidenschaften weichen. Aber für den Monarchen gibt es nichts zu wünschen: denn seine Gerichtsbarkeit beschränkt der Ocean allein; was sich nicht von den andern Herrschern sagen läßt, deren Herrschaft von anderen begrenzt wird, z. B. die des Königs von Kastilien von der des Königs von Aragonien. Hieraus folgt, daß der Monarch unter den Sterblichen am lautersten Gerechtigkeit üben kann. Ferner, gleichwie die Begierde die zuständliche Gerechtigkeit einigermaßen, wenn auch noch so wenig, bewölkt, so wird sie durch die Liebe oder die richtige Werthachtung geschärft und erhellt. Wo also die rechte Werthachtung wohnen kann, da kann auch die Gerechtigkeit ihren vorzüglichsten Aufenthalt nehmen: von dieser Art ist der Monarch: also, wo er sich findet, da ist die Gerechtigkeit am mächtigsten, oder kann es sein. Daß aber die rechte Werthschätzung das Erwähnte thut, läßt sich hieraus ersehen. Die Begierde nämlich setzt die menschliche Gesellschaft hintenan und strebt nach Anderem, die Liebe aber sucht mit Verachtung alles Andern Gott und den Menschen, und folglich das Wohl des Menschen. Und da unter andern Gütern des Menschen es das wichtigste ist, in Frieden zu leben (wie oben gesagt wurde) und die Gerechtigkeit dies am meisten und am stärksten bewirkt, so wird die Gerechtigkeit am meisten durch die Liebe gekräftigt werden, und um so stärker, je stärker sie ist. Und daß dem Monarchen von den Menschen am meisten die rechte Werthschätzung innewohnen muß, ergibt sich folgendermaßen: Alles Werthzuschätzende wird um so mehr geschätzt, je näher es dem Schätzenden ist, aber die Menschen sind dem Monarchen näher als den

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Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_016.gif&oldid=- (Version vom 15.2.2024)