Seite:Dante - Komödie - Streckfuß 172173.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
73
Dort liegt Romena, wo ich mit Metallen

Geringern Werths verfälscht das gute Geld,
Weshalb ich dort der Flamm’ anheimgefallen.

76
Doch wäre Guido nur mir beigesellt,[1]

Und Jeder, der zum Laster mich verführte,
Ich gäbe drum den schönsten Quell der Welt.[2]

79
Zwar, wenn der Tolle Wahrheit sagt, so spürte

Er jüngst den Einen auf in dieser Nacht.
Doch da dies Uebel meine Glieder schnürte,

82
Was hilft es mir? Hätt’ ich nur so viel Macht,

Um im Jahrhundert einen Zoll zu schreiten,
Ich hätte schon mich auf den Weg gemacht,

85
Ihn suchend durch dies Thal nach allen Seiten,

Mag’s in der Rund’ auch sich eilf Miglien ziehn,[3]
Und minder nicht als eine halbe breiten.

88
Bei diesen Krüppeln hier bin ich durch ihn,

Denn er hat mich verführt, daß ich den Gulden
An schlechterm Zusatz drei Karat verliehn.“

91
Und ich: „„Was mochten jene Zwei verschulden,

Die, dampfend, wie im Frost die nasse Hand
Fest an dir liegend, ihre Straf erdulden?““

94
Er sprach: „Sie liegen fest, wie ich sie fand,

Als ich hierher geschneit nach Minos Winken,
Und werden ewiglich nicht umgewandt.

97
Die ist das Weib des Potiphar; zur Linken[4]

Liegt Sinon mir, berühmt durch Troja’s Roß.
Im faulen Fieber liegen sie und stinken –“

100
Und dieser Letzte, den’s vielleicht verdroß,[5]

[173] Daß Meister Adams Wort ihn so verhöhnte,
Gab auf den harten Wanst ihm einen Stoß,

103
Daß dieser gleich der besten Trommel tönte.

Doch in das Angesicht des Andern warf
Herr Adam die gleich harte Faust und stöhnte:

106
„Ob ich mich gleich nicht fortbewegen darf,

Doch ist mein Arm noch, wie du eben spürtest,
Noch frei und flink zu solcherlei Bedarf.“

109
„Als du zum Feuer gingst,“ rief Sinon, „rührtest

Du nicht den Arm schnell, wie er eben war,
Doch schneller, da du einst den Stempel führtest.“

112
Der Wassersücht’ge: „Darin sprichst du wahr,

Doch stelltest du in Troja kein Exempel
Von einem so wahrhaft’gen Zeugniß dar.“

115
„Fälscht’ ich das Wort, so fälschtest du den Stempel.

Hier bin ich doch für einen Fehler nur,
Du aber dientest stets in Satans Tempel.“

118
So Sinon. „Denk’ an’s Roß, du Schelm!“ so fuhr

Ihn Jener an mit dem geschwollnen Bauche,
„Qual sei dir, daß es alle Welt erfuhr.“

121
„Und dir sei Qual“, der Grieche rief, „die Jauche,

Die stets zum Bollwerk blähet deinen Wanst,
Und Durst, der deine Zung’ in Flammen tauche!“

124
Der Münzer: „Der du stets auf Lügen sannst,

Dein Maul zerreiße dir für solch Erfrechen!
Wenn du mich dürstend, schwellend sehen kannst,

127
Mög’ dich die Hitze quälen, Kopfweh stechen.

Spräch’ Einer kurz: Sauf’ aus den ganzen Bach!
Du würdest dessen wohl dich nicht entbrechen.“

130
Ich horchte stumm, was Der und Jener sprach,

Da rief Virgil: „Nun, wirst du endlich kommen?
Zu lange sah’ ich schon der Neugier nach.“

133
Als ich des Meisters Wort voll Zorn vernommen,

Wandt’ ich voll Scham zu ihm das Angesicht,
Und fühle jetzt noch mich von Scham entglommen.


  1. 76. Guido, einer der Grafen von Romena, und dessen Brüder Alessandro und Aghinolfo.
  2. [78. Im Original Fontebranda, ein hochberühmter prachtvoller Brunnen in Siena.]
  3. 86. Vgl. Ges. 29. V. 8 und die Anmerkung.
  4. 97 u. 98 Potiphars Weib, und Sinon, Fälscher der Rede, weil jene den Joseph, den sie vergebens zur Unkeuschheit verführen wollte, fälschlich anklagte, – dieser den Trojanern über das von den Griechen zurückgelassene hölzerne Roß falsche Auskunft gab. Beide liegen am faulen Fieber darnieder. [„Wie alle Frauen in Dante’s Hölle, außer Franziska von Rimini, spricht auch Potiphars Weib nichts.“ Notter.]
  5. 100. Der hier folgende Streit zwischen den Sündern ist ganz aus der Natur gegriffen, wie jeder Aufseher in einem Zuchthause bezeugen [173] wird. Indessen ist diese Art, sich zu höhnen, den hier bestraften Sündern nicht eigenthümlich, sondern gehört allen gemeinen und schlechten Naturen an. Das Beste ist die Lehre, daß kein besser Gebildeter solchem Streite Aufmerksamkeit schenken soll. (V. 145.)
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 172 bzw. 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_172173.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)