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130
An dem, der dort lag, trieb die Schnauz’ nach oben,[1]

Auch wurden nach der Schneckenhörner Brauch
Die Ohren in den Kopf zurück geschoben.

133
Die Zung’, erst ganz, zur Rede schnell, ward auch

Nunmehr getheilt, und ganz ward die getheilte
Im Mund des Andern, und es schwand der Rauch.

136
Der Geist, jetzt Schlange, zischte laut und eilte

Durch’s Thal davon – der Andre spuckt’ ihr nach,
Indem er noch, sie schmähend, dort verweilte.

139
Dann kehrt’ er ihr den Rücken zu und sprach:

„So schlüpfe Buoso nun durch diese Gründe,
Statt meiner, auf dem Bauch in Qual und Schmach.“

142
So mischt’ im siebenten der Lasterschlünde

Sich Bild und Bild, drum werde mir’s verziehn,
Wenn ich so Neues etwas breit verkünde,

145
Doch ob mir gleich der Blick geblendet schien,

Und kaum mein Geist vom Staunen sich ermannte,
Doch bargen jene sich nicht so im Fliehn,

148
Daß ich den Puccio nicht gar wohl erkannte,

Der einzig von den Drei’n, erst hier vereint,
Sich unverwandelt jetzt von dannen wandte.

151
Der Andre war’s, um den Gaville weint.[2]
_______________

Sechsundzwanzigster Gesang.
VIII. Kreis. 8. Bulge. Schlechte Rathgeber. Ulysses u. A.

1
Freu’ dich Florenz! Du bist so hoch und groß,[3]

Daß du die Flügel regst ob Land und Meere
Und selbst dein Nam’ erklingt im Höllenschooß!

4
[145] Fünf deiner Bürger fand ich, und verzehre

Mich drob vor Schamglut, bei den Dieben hier –
Und dir auch dient es nicht zu größrer Ehre!

7
Doch zeigt’ ein Morgentraum die Wahrheit mir,[4]

So wirst du großes Unglück bald empfinden,
Und Prato selbst, dein Nachbar, gönnt es dir.

10
Käm’s jetzt, man würd’ es nicht zur Unzeit finden;[5]

Und, da’s geschehn muß, möcht’ es jetzt doch sein!
Denn, älter, werd’ ich’s schwerer nur verwinden.

13
Wir stiegen nun auf zackigem Gestein,[6]

Das uns als Trepp’ herabgeführt, zurücke,
Mein Herr voraus und ich ihm hinterdrein.

16
Durch Trümmer ging und rauhe Felsenstücke

Der öde Weg und nöthig war die Hand,
Damit der Fuß aufklimmend weiter rücke.

19
Tief schmerzte mich, was nun mein Auge fand;

Und jetzt noch fass’ ich, wenn ich dran gedenke,[7]


  1. [130. Der zur Schlange werdende Mensch.]
  2. 151. Franz Guercio Cavalcante wurde an einem Orte, Namens Gaville, ermordet, sein Tod jedoch von seiner Familie durch den Tod vieler Einwohner des Orts gerächt. [Dieser und Buoso sind es also, welche eben die Gestalten getauscht haben, indem der Eine schon vorher in Schlangengestalt in der Hölle gedacht ist, der Andre solche jetzt erst empfängt und jenem wieder die Menschennatur wird. Cianfa und Bruneleschi ferner waren es, welche in 52 ff. mit einander verschmelzen. Der Fünfte allein, Puccio Galigai bleibt unverändert.]
  3. XXVI. 1. Fünf Diebe aus Florenz, meist den edlen Geschlechtern [145] angehörig, hat Dante in der Hölle gefunden, und schämt sich der Verdorbenheit seiner Vaterstadt, über welche der äußere Glanz derselben ihn nicht trösten kann. –
  4. 7. Da Dante voraussetzt, er schreibe im Jahre 1300, so prophezeit er hier Unglücksfälle, welche zur Zeit, da er schrieb, sich wirklich bereits zugetragen hatten, z. B. eine von den Schwarzen angelegte Feuersbrunst, welche gegen 1700 Häuser verzehrte – und hauptsächlich[WS 1] wohl das mannigfache Unglück, welches die Parteiung über die Stadt verbreitete. Selbst die Nachbarn, namentlich die Bewohner des Kastells Prato, wünschen der Stadt wegen ihrer Sittenlosigkeit und Gewaltthätigkeit dies Unglück und freuen sich darüber.
  5. 10. Dies Unglück ist allerdings verdient, und käme daher, wenn es jetzt einträte, nicht zu zeitig. Aber die Liebe des Dichters für die Vaterstadt, die er so streng tadelt, spricht sich in den folgenden beiden Versen aus. Dies Unglück wird ihn selbst tief beugen, um so mehr, wenn höheres Alter seine Kraft geschwächt hat. Darum wünscht er, daß das Unvermeidliche lieber bald eintreten möge, da er es im kräftigen Alter leichter ertragen würde.
  6. 13. Vgl. Ges. 24. V. 72. Die Dichter waren von der Felsenzacke, welche die Brücke über die verschiedenen Vertiefungen bildet, auf den Damm herabgestiegen. Jetzt steigt Virgil, den Dante unterstützend, wieder auf diese Zacke hinauf, um auf ihr, die auch ferner die Brücke bildet, zu der achten Abtheilung zu gelangen.
  7. [20 ff. „Zu festerm Widerstand“ gegen die Versuchungen zum Mißbrauch der, auch ihm verliehenen, hohen Geisteskraft, wie solchen Versuchungen die Sünder unterlegen waren, welche er als „böse Rathgeber“ in der nächsten Bulge sieht.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hauptsachlich
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 144 bzw. 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_144145.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)