Sobald ich pfeife, wie wir immer pflegen,
Um anzudeuten, daß kein Teufel wacht.“
Und schrie kopfschüttelnd: „Hört die Büberei!
Er will ins Pech, sobald wir uns bewegen.“
Sprach: „Wahrlich, bübisch wär’ ich wohl zu nennen,
Trüg’ zu der Meinen Mißgeschick ich bei.“
Im Widerspruch mit Allen hub er an:
„Spring nur hinab! Ich werd’ nicht nach dir rennen,
Laßt Platz uns hinter diesem Damme nehmen,[1]
Zu sehn, ob mehr als wir der Eine kann.“
Die Blicke wandten sie und sehr bereit
War, der der Schlimmste schien, sich zu bequemen.
Stemmt’ ein die Füß’, und war mit einem Satze
Von dem, was sie ihm zugedacht, befreit.
Und Jener, der die Schuld des Fehlers trug,
Flog nach und schrie: „Du bist in meiner Tatze!“
Das Pech verbarg bereits den Gauner wieder,
Und rückwärts nahm der Teufel seinen Zug.
Und dieser hebt, ergrimmt und matt, vom Teich
[127] Zur Luft empor das sträubende Gefieder.
Im schnellsten Fluge durch die Luft geschossen
Und fiel, erboßt von diesem Narrenstreich,
Und beide hielten überm Pech voll Wuth
In wilder Balgerei sich fest umschlossen.
Und beide stürzten bald zu den Bepichten,
Die sie bewachten, in die heiße Flut.
Doch ganz bepicht das rasche Flügelpaar,
Vermochten sie es nicht, sich aufzurichten.
Ließ vier der Seinen rasch zu Hilfe fliegen,
Die äußerst schnell mit ihren Haken zwar
Wo Jeder den Gesott’nen Hilfe bot,
Doch sahn wir sie fest in der Rinde liegen,[2]
Ich hinterdrein, der Meister mir voraus,
Wie auf dem Weg ein Minorite schreitet.
Aesopens Fabel ins Gedächtniß bringen,
Worin er spricht vom Frosch und von der Maus.[4]
- ↑ [116. 117. Die Teufel wollen Versteckens mit dem Sünder spielen und gehen deshalb hinter den Damm gegen die 6. Bulge hin zurück, wo er sie, der auf der andern Seite, am Rand der 5. Bulge steht, nicht sehen kann.]
- ↑ [127] [150. Das erkaltete Pech hatte eine Rinde über sie gebildet.]
- ↑ [XXIII. Nach dem Tumult des vorangehenden Gesanges führt uns der wunderschöne Ges. 23 – in poetisch fein empfundenem Contrast – durch lautlose Räume, beim schweigenden Jammerzug der Heuchler uns zu tiefstem Mitleid sanft bewegend.]
- ↑ 6. [Der Frosch, erzählt Aesop, band in böswilliger Absicht den Fuß der befreundeten Maus an den seinigen, um sie mit sich ins [127] Wasser zu ziehen und zu ersäufen. Dies gelang ihm auch. Als aber der geschwollene Körper der Maus auf der Wasserfläche von dem Raubvogel bemerkt und weggeholt wurde, da zog dieser auch den Frosch am Faden mit unter dem Wasser hervor und verschlang ihn. – Frosch und Maus sind die beiden Teufel, die V. 136 ff. im vorigen Gesang einander verderben wollen und beide dem Pechpfuhl zum Opfer fallen.]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 126 bzw. 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_126127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)