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Daß, säh’ man’s, es den Werth dem Ablaß raubte,
Den man beim Volk so hoch in Preis gebracht.

121
Drob wuchs die Dummheit so in manchem Haupte,

Daß, möcht’ ein Priesterwort das tollste sein,
Man ohne Prüfung und Beweise glaubte.

124
Und damit mästet Sankt Anton das Schwein,[1]

Und Andre, die noch ärger sind, denn Sauen,
Falschmünzer, reich an trügerischem Schein. – –

127
Doch seitwärts führt’ ich dich von diesen Auen;

Drum, daß zugleich sich kürze Zeit und Pfad,[2]
Mußt du jetzt wieder grade vorwärts schauen.

130
So sehr vervielfacht sind von Grad zu Grad[3]

Der unzählbaren sel’gen Engel Schaaren,
Daß ihrer Zahl nicht Sinn noch Sprache naht.

133
Und Daniel will, dies kannst du wohl gewahren,

Wenn er zehntausendmal zehntausend spricht,
Uns nicht bestimmte Zahlen offenbaren.

136
Das ihnen Allen strahlt, das erste Licht,

So vielfach wird’s von ihnen aufgenommen,
Als Engel schau’n in Gottes Angesicht.

139
Drum, da vom Schau’n der Liebe Gluten kommen,

  1. [124–126. Das Attribut des h. Antonius, des Eremiten, ist ein Schwein, als Abbild des besiegten Teufels. Nun empfinde man die furchtbare Ironie in dem Ausdrucke: er mästet sein Schwein! Natürlich sind seine und andere, spätere Ordensjünger gemeint, die durch Ablaßgelder sich gütlich thun und Andere, welche sogar noch zu Schlimmerem, was schon Ges. 22, 84 angedeutet worden, nämlich auf Weiber diesen Verdienst verwenden. – Alle aber zusammen nennt der Dichter Falschmünzer, weil sie mit ungeprägtem Geld, d. h. eben mit jenen werthlosen Ablässen u. dgl. das Volk betrügen.]
  2. [128. Anspielung auf das nahende Ende des Gedichts und der Wanderung.]
  3. [130–145. Der schon oben zu V. 49 ff. im Zusammenhang erwähnte Nachtrag über die Zahl der Engel. Diese wird, mit Bezug auf Daniel 7, 10, als jeden menschlichen Sinn und Gedanken übersteigend angenommen, V. 130–135, zumal (nach Thomas) jeder Engel, nach der Art seines Schauens, seine eigene Species und also eine unbegrenzte Möglichkeit einzelner Engelswesen ist, V. 136–138. – Mit schönen, zusammenfassenden Worten, welche auf Ges. 28, 109. Ges. 9, 61 und Ges. 7, 64 ff., Ges. 1, 1–3 zurückweisen, endet der Gesang.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_582.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)