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Daß nie ein Auge, das er mit dem hellen
Glutschein bestrahlt, ihm offen trotzen darf.

19
Ließ sich zu ihm das kleinste Sternlein stellen,[1]

Ein Mond erschien’ es, könnt’ es seinem Licht,
So nah’, wie Stern dem Stern, sich beigesellen.

22
So weit, als Sonn’ und Mond ein Hof umflicht,

Vom eignen Glanz der beiden Stern’ entsprungen,
Wenn sich in dichtem Dunst ihr Schimmer bricht,

25
War um den Punkt ein Kreis, so schnell geschwungen[2]

In reger Glut, daß er auch überwand
Den schnellsten Kreis, der rings die Welt umschlungen.

28
Und dieser war vom zweiten rings umspannt,

  1. 19. Allegorisch kann das heißen: Alles, was sich Gott nähert, wird groß und erhaben, sei es auch im Raume noch so klein; denn ihm nähert man sich nur durch Glauben und durch das Gesetz der Ordnung, in welchem alle Dinge gottähnlich werden. (S. Ges. 1 V. 103.)
  2. [25–78. Auch hier sei zum leichteren Verständniß Sinn und Gedankenfolge der folgenden schwierigen Stelle zum Voraus markirt. Um zu der letzten der fortlaufenden Belehrungen des Paradieses über die Engel, ihre Hierarchie und Wirksamkeit, ihre Schöpfung und ihren Fall, zu kommen, schickt der Dichter eine Gegenüberstellung der neun Engelskreise und der neun irdischen Himmelskreise voraus. – Diese höchst sinnvolle Parallele der Geisterwelt und der Sinnenwelt bewegt sich um folgende Vergleichungs-, bezhdl. Divergenz-Punkte: Die (ptolemäische) Ordnung der neun Himmel hat ihr Urbild in den neun Engelskreisen, V. 56. Von letzteren und ihrem göttlichen Mittelpunkt hängen jene, sammt der ganzen Natur, ab V. 41 ff. Denn sie sind, wie wir schon aus Ges. 2, 112–144, Ges. 8, 34 und Hölle 7, 74 wissen, die Intelligenzen, die Beweger jener. Dieses Urbild des Abbilds sieht nun D. hier V. 25–39. Und zwar gerade hier im Krystallhimmal, weil, wie wir ebenfalls wissen, von diesem aus die Wirksamkeit der Intelligenzen sich entfaltet. Aber D. entdeckt auch einen Widerspruch zwischen beiden V. 43–57. Denn sie verhalten sich in ihrer Stufenfolge nach Bewegung und Kraft gerade umgekehrt zu einander. Dort ist der geistige Mittelpunkt Gott und je kleiner und näher, desto schneller und lichter sind die Kreise. Hier ist der körperliche Mittelpunkt die Erde und je größer und ferner von ihr, desto schneller und lichter sind die Kreise. Dieser (scheinbare) Widerspruch wird ihm jedoch gelöst durch Beatrice V. 58–78. Er beruht auf einem naturnothwendigen Weltgesetz, welches D. nicht weiter beweist: Die Körperwelt ist räumlich und hat im Raum zu wirken. Darum sind auch ihre unsichtbaren Kräfte an räumliche [571] Verhältnisse geknüpft (V. 64–66) und die edelste Kraft, die „zum größten Heile“ wirken soll, strebt am Meisten nach Raum, muß also den größten Raum, gleichmäßig vertheilt, erfüllen (V. 67–69). Daher der schnellste und größte neunte Himmel, in welchem wir uns jetzt befinden, das primum mobile, eben zugleich der gotterfüllteste ist (V. 70) und in seiner Weise dem kleinsten und gottesnächsten Engelskreise entspricht (V. 71. 72). Denn bei letzteren, der körperlosen Welt, herrscht das intensive, wie dort das extensive Princip (V. 73–75). Und so besteht also kein Widerspruch, sondern ein bewundernswerthes Ineinandergreifen, vermöge dessen der größte und wichtigste Körperkreis primum mobile von dem kleinsten und gotteskräftigsten Engelkreis, der nächste kleinere (Fixstern-) Himmel von dem nächsten größeren Engelskreis – und so weiter – bewegt wird (V. 76–78).]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_570.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)