Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 564.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
52
Nicht sollte man mein Bild auf Siegeln sehen,[1]

Erkauftem Lügenfreibrief beigedrückt,
Drob ich erröth’ und glüh’ in diesen Höhen.

55
Jetzt sieht man, mit dem Hirtenkleid geschmückt,

Raubgier’ge Wölfe dort die Heerden hüten.
O Gott, was ruht dein Schwert noch ungezückt!

58
Und Caorsiner und Gascogner brüten[2]

Schon Tücken aus, voll Gier nach unsrem Blut.
O schnöde schlechte Frucht von schönen Blüthen!

61
Allein die Vorsicht, die durch Scipio’s Muth[3]

Den Ruhm der Welt beschützt in Roma’s Siegen,
Bald hilft sie, wie es kund der Geist mir thut.

64
Du, Sohn, wenn du zur Erd’ hinabgestiegen,

Erschleuß den Mund, und sprich, wie sich’s gebührt,[4]


  1. 52. Mein Bild, welches im päpstlichen Wappen steht.
  2. 58 ff. Clemens V. und Johann XXII., der eine Gascogner (17, 83), der andere aus dem übelberüchtigten Cahors (Hölle 11, 50), waren des Bonifaz Nachfolger. Sie „brüten Tücken aus,“ wörtlich: „sie bereiten sich“ heißt es, weil im Jahr 1300 noch Keiner Papst war. „Nach unsrem Blut,“ wörtlich: „von unsrem Blut zu trinken“ kann nur heißen: „den, mit Märtyrerblut nach V. 40 ff. besiegelten päpstlichen Stuhl an sich zu reißen, beziehungsweise zu entweihen; Offenb. 17, 6.“ Notter.]
  3. [61–63 und 142–148 sind wieder Weissagungen der bevorstehenden, rettenden Weltumgestaltung, beziehungsweise des Dante’schen Helden und Erretters – und zwar die letzten in unsrem Gedicht. Daß hier von vornehmlich politisch-kirchlichen Umwälzungen die Rede sei, daß wir hier ein Analogon der Weissagung des „Windhunds“ und des „Fünfhundertfünfzehn“ haben, ist aus den Versen 61 und 62, 139–141 klar, welche heißen sollen: so gewiß das hl. röm. Reich einst gegen Hannibal im zweiten punischen Krieg durch Scipio gerettet wurde, wird es auch jetzt wieder gerettet werden; und so gewiß der Mangel der rechten kaiserlichen Führung Schuld an allem Elend ist, so gewiß wird diesem Mangel abgeholfen und „das Schiff gedreht“ (V. 147) d. h. die Kaisermacht gehoben, aber das Papstthum in seine Schranken gewiesen werden. – Dies ist der nächste Thatbestand der Stellen. Des Weiteren sind sie, betreffs ihrer spezielleren Deutung und ihres Zusammenhangs mit den übrigen, verwandten Aussprüchen, schon zu Fegf. 33, 45 besprochen, worauf wir verweisen.]
  4. [65. Lehrauftrag, wie Ges. 17, 127 ff., Fegf. Ges. 32, 103 ff., Ges. 33, 53 u. a.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_564.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)