Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 555.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Zu welchem sich dreifaches Wehn verband,

133
Gleichwie nach Müh’n und schwerem Wogendrange

Die Ruder, so die Flut durchwühlt, zugleich
Allsämtlich ruhn bei einer Pfeife Klange.

136
Ach, wie ward ich vor Angst und Sorge bleich,

Als ich mich nun zu Beatricen kehrte,
Und, zwar ihr nah’ und im beglückten Reich,

139
Doch sie nicht sah, die ich zu sehn begehrte.[1]
_______________

Sechsundzwanzigster Gesang.
Fortsetzung. – Dante ist erblindet. Johannes examinirt ihn über die Liebe. Sein Augenlicht kehrt zurück, er sieht wieder Beatrix – dann Adam. Ueber die Zeit seit seiner Erschaffung, seinen Aufenthalt im Paradies, den Sündenfall und die menschl. Sprache.

1
Ob des erloschnen Augenlichts voll Gram,

Hört’ ich ein Wehn aus jener Flamme kommen,[2]
Die mir’s verlöscht, und horcht’ ihm aufmerksam.

4
Es sagte: „Bis das Licht, das dir verglommen

In meinem Schimmer ist, dir wiederkehrt,
Wird Sprechen zum Ersatz des Schauens frommen.

7
Drum sprich: Was ist es, das dein Herz begehrt?[3]

  1. 139. Der Grund, aus welchem er Beatricen nicht sieht, ist die im folgenden Gesange näher erläuterte plötzliche Erblindung vor dem Schimmer des Johannes, welchen er, nach V. 118–121, zu scharf betrachtet hatte. Hierin scheint die Lehre zu liegen, daß man in der Religion nicht nach dem minder Wesentlichen forschen soll, wie Dante nach dem Körper des Johannes, weil sonst der Blick geblendet wird, und die wahre Weisheit ihm verschwindet, die nur durch Glauben, Liebe und Hoffnung offenbar wird. (Vgl. Anmerkung zu Ges. 26 V. 76.)
  2. XXVI. 2. Aus jener Flamme, des Johannes.
  3. [7. Was ist es. Hierin liegt die erste Frage des Johannes. Sachgemäß wird bei der Liebe von einer abstracten Definition ihres Wesens abgesehen und gleich ihr Gegenstand erforscht. Und die Antwort giebt V. 16–18: Gott. Denn Natur, Herz und Offenbarung weisen auf ihn, als den höchsten Gegenstand aller Liebe (s. dort). – V. 24 ff. folgt dann wieder die andre Frage, welches ihr Grund und Quell, woher sie sei? Und die Antwort V. 25 ff. – wiederum aus Gründen der Vernunft und Philosophie, wie der Offenbarung hergeleitet.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_555.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)