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13
Wie durch die Heiterkeit der stillen Nacht[1]

Oft Feuer läuft, vom Augenblick geboren,
Und des Beschauers Augen zücken macht,

16
Gleich einem Stern, der andern Platz erkoren,

Nur daß an jenem Ort, wo er entbrannt,
Sich nichts verliert und er sich schnell verloren;

19
So sah ich aus dem Arm zur rechten Hand

Jetzt einen Stern zum Fuß des Kreuzes wallen,
Aus jenem Sternbild, das dort glänzend stand.

22
Die Perl’ war nicht aus ihrem Band gefallen;[2]

Sie lief am lichten Streif dahin, und war
Wie Feuer hinter glänzenden Krystallen.

25
So, redet unsre größte Muse wahr,[3]

Stellt’ in Elysiums Hainen seinem Sprossen
Anchises sich mit frommer Liebe dar.

28
„O, du, mein Blut, auf welches sich ergossen

Die Gnade hat, wem hat der höchste Hort
Zweimal, wie dir, des Himmels Thür erschlossen?“[4]

31
Mir zog den Geist zum Lichte dieses Wort;

Drauf, als ich mich zu meiner Herrin wandte,[5]


  1. [13–20. Wie eine Sternschnuppe, nur nicht, wie eine solche, schnell wieder verschwindend. – „Am Arm“, nämlich des Kreuzes.]
  2. 22. Die Perl’, der Glanz des Seligen, welcher dem Dichter entgegenkam, trennte sich nicht aus dem Kleinod, dem Kreuze, welches mit ihr geschmückt war. Vielmehr bewegte sich dieser Glanz, um sich dem Dichter zu nähern, am Streife des Kreuzes herab, und gab den anderen Seligen, die bei seinem Nahen in höherer Liebe entglommen, wo er vorüberzog, einen höhern Schimmer, [hinter dem er doch noch bemerkbar blieb V. 24.]
  3. 25. Der Selige ist, wie wir bald erfahren, Cacciaguida, Urahn des Dichters. Seine Liebe und Freude glich der des Anchises, als er seinen Sohn Aeneas in der Unterwelt wiedersah. (Aeneis IV. 680 ff.)
  4. [30. „Zweimal“, nämlich jetzt, noch während seines Lebens und künftig, nach dem Tode. Dies ist also die, schon zu Ges. 5, 105 und 6, 114 erwähnte Stelle, wo Dante sich, durch den Mund des Ahnen, selber die Seligkeit zuspricht. – Die Verse 28–30 sind im Original lateinisch, um die Sprache der Gebildeten in der vor-dante’schen Zeit, ehe, durch ihn, die italienische Schriftsprache geschaffen war, anzudeuten.]
  5. 32–36. Durch diese Stelle erläutert sich näher, was am Schlusse des vorigen Gesanges enthalten und darüber bemerkt worden ist. Auch [486] Beatricens Schönheit hat sich erhöht und entzückt ihn eben so, wie das, was ihn in diesem höhern Stern umgiebt.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_485.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)