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103
Fand zur Bekehrung er das Volk zu hart,

Drob, da ihm hier sein edles Werk nicht glückte,
Von ihm bebaut Italiens Garten ward.

106
Und auf Averna’s Felsenhöhen drückte[1]

Das letzte Siegel noch ihm Christus ein,
Das dann zwei Jahre seine Glieder schmückte.

109
Als der, der ihn berufen, aus der Pein

Zur Wonn’ ihn rief, den Lohn hier zu erwerben,
Daß er sein Knecht war, niedrig, arm und klein,

112
Empfahl er noch, als seinen rechten Erben,

Den Brüdern seine Frau, ihm lieb und werth,[2]
Zu treuer Lieb’ im Leben und im Sterben.

115
Eh’ ihrem Schooß die Seele, schon verklärt,[3]

Entfloh, heimkehrend zu des Vaters Reiche,
Ward nur die Erd’ als Sarg von ihm begehrt.

118
Jetzt denke selbst, wer dem an Würde gleiche,[4]

Der, sein Genoß, durch’s Meer führt Petri Kahn,[5]
Daß er auf gradem Weg das Ziel erreiche.

121
Dies Amt hatt’ unser Patriarch empfahn,

Und gute Waare trägt auf seiner Reise,
Wer treu ihm folgt auf der befohl’nen Bahn.

124
Doch seine Heerd’ ist jetzt nach neuer Speise

So lüstern, daß sie üppig hüpft und springt,
Und sich zerstreut und irrt vom rechten Gleise.

127
Je weiter hin der Schäflein Heerde dringt,

  1. 106. Auf einem Felsen [des höchsten Apenninenstocks] soll Christus dem heiligen Franziskus seine Wundenmaale eingeprägt haben.
  2. 113. Seine Frau, hier, wie im ganzen Gesange, die Armuth.
  3. [115. Ein Armer nicht nur mit Worten, sondern in Wahrheit und feurigster Weltentsagung, besaß Franziskus in der That nichts, als seine armseligen Kleider auf dem Leibe. Baar von allem wollte er sterben und ließ sich entkleidet auf den Boden der Portiuncula legen, wo man ihn am 11. Okt. 1226 auch entseelt getroffen haben soll.]
  4. [118. Der heilige Dominik, auf dessen damaligen Orden, nach dem, zu V. 26 Bemerkten, jetzt die Rede kommt. Thomas zeigt, daß seine Ordensbrüder von dem, dem heiligen Franz wie dem Dominik gleichen geistlichen Zwecke abkommen, „neuer Speise lüstern“ (V. 124) und erklärt damit jenen V. 96 in Ges. 10.]
  5. 119. Petri Kahn, die Kirche.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_465.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)