Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 432.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Er nahm, begleitend dann des Titus Bahn,
Rach’ an der Rache für ein alt Verbrechen.

94
Und als darauf der Langobarden Zahn

Die Kirche biß, sah unter seinen Schwingen
Man Karl den Großen ihr mit Hülfe nahn.

97
Nun siehst du selbst, wie Jene sich vergingen,[1]

Von denen ich, sie hart anklagend, sprach,
Die über euch all euer Uebel bringen.

100
Der trachtet selbst dem Reiches-Zeichen nach,

Der will es durch die Lilien überwinden,
Und schwer zu sagen ist, wer mehr verbrach.

103
Der Ghibellin mög’ andres Zeichen finden,

Denn schlechte Folger sind dem heil’gen Aar,
Die standhaft nicht das Recht und ihn verbinden.

106
Der neue Karl mit seiner Guelfen-Schaar,

Nicht trotz’ er ihm, der wohl schon stärkerm Leuen
Das Vließ abzog mit seinem Klauen-Paar.

109
Oft muß der Sohn des Vaters Fehl bereuen.

Nicht glaub’ er seine Lilien Gott so lieb,
Um ihrethalb sein Zeichen zu erneuen. – –

112
Der kleine Stern, der fern und dämmernd blieb,[2]

  1. 97–109. Nachdem der Dichter nun durch diesen Abriß der römischen Geschichte, welche er durch Karl den Großen und die nachfolgenden Kaiser für fortgesetzt hält, seinen Hauptbeweis geliefert hat, daß der römische Adler von jeher zum Zeichen der Weltherrschaft, besonders der Herrschaft über Italien, bestimmt gewesen sei, rügt er, wie schon in V. 31–33 angedeutet war, gleichmäßig das Benehmen der damaligen Ghibellinen, wie der Guelfen, indem die ersteren, wie jede Partei, keineswegs die Herstellung der Herrschaft des Adlers, sondern nur ihre eigene Herrschaft suchten, die anderen aber dieses Zeichen durch das der Lilien, den Kaiser durch Frankreich, zu demüthigen strebten. Er sagt dem Karl von Valois voraus, daß die Anmaßung seines Geschlechts durch den Kaiser, der wohl schon stärkere Feinde besiegt habe, werde bestraft werden. Der „neue Karl“ im Unterschied vom König von Neapel.]
  2. [112–126. Nach Beendigung seiner Rede wendet sich Justinian zu [433] der Frage zurück, weshalb, Ges. 5, 128, dieser kleine niedere Merkur-Stern ihm und Anderen zum Aufenthalt gegeben sei? Antwort: sie hatten auf Erden nach der Bekehrung noch den Makel der Ehrsucht an sich, welche ihr christliches Tugend- und Vollendungsstreben nicht ganz rein und vollkommen werden ließ V. 112–114. Darum erheben sie sich auch im Himmel nicht höher V. 115–117, sind aber an ihrem jetzigen Aufenthaltsort eben darin und dadurch selig, daß sie erkennen, wie nach göttl. Gerechtigkeit ihnen diese Stufe und keine andere gebühre V. 118–123. Und weil denn überhaupt sie, wie alle anderen Seligen, je auf ihrer Stufe zufrieden und beseligt seien, so bilde gerade diese Verschiedenheit der einzelnen Töne einen um so entzückenderen Gesammtaccord der Himmelsharmonie, V. 124–126. Vgl. Ges. 3, 49 ff. und unsere Anm. dazu. – Zur Sühnung geschichtlicher Gerechtigkeit dient es, daß Justinian seine Eitelkeit und Prunksucht hier selbst, als Mitbewohner des Merkur, bekennen muß, nachdem ihn Dante durch das Bisherige eigentlich viel zu hoch erhoben hat. Mit Unrecht hat man aber durch Zusammenbringen dieser Stelle mit V. 104 des vorigen Gesanges die dortigen Worte: „der da kommt, wird unser Lieben mehren“ darauf gedeutet, daß D. seinen eigenen zukünftigen Platz in diesem Stern weissagen wolle, weil er sich öfter, besonders Fegf. 13, 133; 11, 118 ff., zu den „Stolzen“ rechnet. Denn Stolz und Ehrgeiz sind nicht immer beisammen und auf allen Sternen wird D. von den Seligen ähnlich begrüßt. Nur die Seligkeit im Allgemeinen prophezeit sich D. und zwar Ges. 15, 31 ff.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_432.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)