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34
Jetzt wisse, daß ich ihm zu sehr entsagt,[1]

Und dieses Unmaß hab’ ich hier in Schlingen
So viele tausend Monden lang beklagt.

37
Dort unten müßt’ ich, Steine wälzend, ringen,

Hätt’ ich dein zürnend Warnen nicht gehört:[2]
„Zu was kannst du die Menschenbrust nicht zwingen,

40
Verfluchter Durst nach Gold, der uns bethört!“ –

Die ernste Mahnung hört’ ich dich verkünden,
Und ward aus eitlen Träumen aufgestört.

43
Daß nur zu offen meine Hände stünden,

Dies ward mir nun in meinem Geiste klar,
Mit Reu’ ob dieser und der andern Sünden.

46
Wie Viel’ erstehn einst mit verschnittnem Haar,[3]

Weil bis zum Tod sie nicht erkannt, daß Sühne
Durch Reu’ auch diesem Fehler nöthig war.

49
Wisse, die Schuld, die auf des Lebens Bühne[4]

Sich einer andern grad’ entgegensetzt,
Verliert zugleich mit ihr hier ihre Grüne.

52
Drum sahst du mich bei jenen Schaaren jetzt

Der Reuigen, die einst der Geiz bezwungen;
So hat das Gegentheil mich her versetzt.“

55
„Zur Zeit, da du der Waffen Graus gesungen,[5]

  1. 34. Wie in der Hölle Geizige und Verschwender in einem Kreise bestraft werden, so reinigen sich beide auch im Fegefeuer an demselben Orte. Auch die Verschwender plagt der Durst nach Gold, das sie immer vermissen, weil sie es nicht zu erhalten verstehen, daher die Ges. 19, V. 118 ff. angegebene Buße auch zu ihrem Fehler im entsprechenden Verhältniß steht.
  2. 38. Statius verdankt den Worten Virgils:
          Quid non mortalia pectora cogis auri sacra fames,
    daß er zur Besinnung gekommen ist und seinen Fehler bereut hat. [Denn nach Aristoteles ist der Verschwender ein ebensolcher Goldjäger, wie der Geizige. Daher diese Stelle, wie Statius erkannte, auch ihn traf.]
  3. 46. S. Hölle Ges. 7, V. 46 und 56.
  4. [49–51. Erklärt sich aus V. 54 Immer die beiden sich entgegenstehenden Laster, z. B. Geiz und Verschwendung, werden miteinander „ihrer Grüne beraubt“ d. h. abgebüßt und zum Absterben gebracht. – Merkwürdigerweise spricht Dante diesen Gedanken nur hier aus und führt ihn nur hier und im vierten Höllenkreise durch.]
  5. 55. Hindeutend auf den thebanischen Krieg, in welchem Eteokles und Polynices, Söhne der Iocaste, wechselweis sich tödteten.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_321.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)