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Bald bricht ein andrer Karl im vollen Lauf,[1]

Damit man möge besser noch erkennen,
Was seines Stammes Art, aus Frankreich auf.

73
Zur Rüstung wird er nicht sich Zeit vergönnen,

Und nur mit Judas Lanze, so, daß dir,
Florenz, der Wanst platzt, in die Schranken rennen.

76
Nicht Land, nur Sünd’ und Schmach gewinnt er hier,

Und trägt er sie gar leicht und unbefangen,
So wird er einst noch mehr gedrückt von ihr.

79
Ein andrer Karl, im Seegefecht gefangen,[2]

Verschachert, wie die Sclavin der Corsar,
Die Tochter, um das Kaufgeld zu empfangen.

82
O Habgier, was vermagst du nicht! Sogar

Sein eignes Fleisch beut, schmählich überwunden
Von deiner Macht, mein Blut zum Kaufe dar.

85
Doch ist der Frevel schon in Nichts verschwunden![3]

  1. 70–78. S. in der Vorbem. zu Hölle 1 dasjenige, was dort über die Besetzung von Florenz durch Karl im Jahre 1301 gesagt ist. Er war ohne Armee[WS 1] nach Italien gekommen, erst durch die Hilfe des Papstes zur Anwerbung von Soldaten in den Stand gesetzt worden und durch Verrath in Florenz eingedrungen.
  2. 79–84. Karl der Zweite, Sohn Karls des Ersten, Königs von Neapel und Sicilien, war in einer Seeschlacht gegen Arragonien gefangen worden. Seine Tochter Beatrice verheirathete er an den schon alternden Markgrafen Azzo den Sechsten, von welchem er, wie man sagt, dafür eine große Summe Geldes empfing.
  3. [85 ff. Das Vorangehende erscheint dem Dichter klein gegen den noch größeren Frevel der Gefangennahme und Mißhandlung Bonifaz VIII. durch Philipp den Schönen, beziehungsweise seinen Feldherrn Rogaret in Anagni (Alagna), in Folge deren dieser nach einem Monat starb (1303).] – Es bezeugt also hier Dante, wie oftmals [vgl. S. 6 u. 14, im vorigen Ges. V. 127], seine hohe Verehrung vor der Stiftung des Papstthums, so sehr er auch die Verwalter [312] derselben verdammt. Nicht weniger Strenge der Consequenz als Größe der Gesinnung legt er dar, indem er die Mißhandlung desjenigen Papstes, welchen er durch das Gericht Gottes für die Hölle bestimmt glaubt (Hölle, Ges. 19 V. 52), als verabscheuungswürdigen Frevel rügt. Nur sehr hohe Geister vermögen in Zeiten der Parteiung sich zu solchem Standpunkte zu erheben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Armeee
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_311.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)