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Und Cäsar, um Ilerda zu gewinnen,[1]
Umschloß Marseill’ und brach nach Spanien auf.“

103
„Rasch, laßt aus Trägheit nicht die Zeit entrinnen,“

Schrie’n Alle nun, „es macht der rege Fleiß
Zum Guten neu der Gnade Lenz beginnen.“

106
„O Ihr, in denen Eifer scharf und heiß

Das, was ihr dort aus Lauheit nicht vollbrachtet,
Was ihr versäumt, wohl zu ersetzen weiß,

109
Der, welcher lebt – nicht sag’ ich Lügen – trachtet

Emporzusteigen, wenn der Morgen wach,
Drum sagt den Weg, den ihr den nächsten achtet.“

112
Mein Führer sagte dies, und Einer sprach:

„Wollt ihr zum Orte, wo der Fels, gespalten
Zur Schluft, euch durchziehn läßt, so folgt uns nach.

115
Uns ist es nicht erlaubt, uns aufzuhalten,

Denn Eile treibt uns fort, drum mögt ihr nicht,
Was für uns Pflicht ist, für unhöflich halten.

118
Ich übt’ in Zeno’s Haus des Abtes Pflicht,[2]

Unter des guten Rothbart Herrscherstabe,
Von welchem Mailand noch mit Schmerzen spricht.

121
Und Einer, schon mit einem Fuß im Grabe,

Er weint, gedenkend jenes Klosters, bald,
Daß er gehabt dort Macht und Ansehn habe,

124
Weil er den Sohn, verpfuscht an der Gestalt,

Noch mehr verpfuscht am Geiste, schlecht geboren,
Anstatt des wahren Hirten dort bestallt.“ –

127
Ob er noch sprach? ob schwieg? – vor meinen Ohren

Verklang, sich schnell entfernend, jener Ton.


  1. 101. Als Pompejus aus Italien entwichen war, beschloß Cäsar, ihn in Spanien anzugreifen. Als Massilia sein Heer nicht aufnehmen wollte, ließ er die Stadt von einem seiner Unterfeldherrn belagern und drang unaufhaltsam, alle Hindernisse, die der Feind und die Natur ihm entgegensetzten, überwindend und nur seinen Hauptzweck verfolgend, nach Spanien vor, wo er bei Ilerda siegte.
  2. 118–126. Der Sprechende ist Albertus, Abt von S. Zeno in Verona unter Friedrichs I. Regierung, welcher bekanntlich Mailand wiederholt seinen Zorn fühlen ließ. – Albert della Scala, Herr von Verona, setzte kurz vor seinem Tode seinen natürlichen Sohn, der verkrüppelt an Körper und Geist war, mit Gewalt als Abt jenes Klosters ein, wofür ihm hier baldige Buße im Voraus verkündigt wird.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_301.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)