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Und frag’ ihn, ob man hier nach oben klimmt.“

31
„„Geschöpf, das, um zum Schöpfer heimzukehren,

Sich reiniget und schön wird, wie zuvor,
Begleite mich, dann sollst du Wunder hören!““

34
So ich, und Er: „Ich schreite mit dir vor,

So weit ich darf, und, um uns nicht zu scheiden,
Führ’ uns im Rauch an Auges-Statt das Ohr.“

37
Drauf ich: „„Obschon die Hüllen mich umkleiden,

Die nur der Tod lös’t, schreit’ ich doch hinauf,
Und drang bis hierher durch der Hölle Leiden.

40
Und nahm der Herr mich so zu Gnaden auf,

Daß ich vermag zu ihm empor zu streben,
Ganz gegen dieser Zeit gewohnten Lauf,[1]

43
So sage mir, wer warst du einst im Leben,

Und ob ich hier die rechte Straße hielt,
Denn unsre Richtung wird dein Wort uns geben.““

46
Mark hieß ich einst, und was die Welt enthielt,[2]

Ich kannt’ es wohl und strebte nach dem Preise,
Nach welchem jetzt auf Erden Keiner zielt.

49
Grad’ vor dir ist der Weg zum höhern Kreise.“

Er sprach’s: „Noch bitt’ ich dich,“ so fügt’ er bei,
„Fürbittend denke mein am Ziel der Reise.“

52
Und ich zu ihm: „„Bei meiner Treu’, es sei!

Doch wisse, daß ich einen Zweifel finde,[3]
An dem ich berste, sag’ ich ihn nicht frei.

55
Er war einst einfach, doppelt jetzt empfinde

Ich ihn in mir, nach dem was du gesagt,
Wenn ich das schon Gehörte mit verbinde.

58
Wahr ist’s, die Welt, so wie du mir geklagt,

  1. 42. Weil nur aus älterer Zeit Beispiele von Solchen erzählt werden, welche lebend in die Reihe der Todten eingedrungen. (Vgl. Hölle Ges. 2 V. 13 ff.)
  2. 46. Marco Lombardo, ein edler Venezianer, des Dichters Freund, ein Mann von großem Werthe, ein geübter Hofmann, und dennoch, der dadurch erlangten großen Uebung in Selbstbeherrschung und Geduld zum Trotz, sehr geneigt zum Zorne.
  3. 53–69. Der Dichter selbst ist überzeugt, daß die Welt im Argen liege. Was ihm im vierzehnten Gesange Guido del Duca schon gesagt hat, und was ihm jetzt Marco sagt, bestärkt ihn noch mehr in dieser Ueberzeugung. Aber um desto dringender wird seine Begierde, zu wissen, ob diese Verderbniß Werk des verdorbenen Willens oder Folge der [288] Vorausbestimmung einer höhern Macht ist, [und zwar der Macht der Gestirne, wie der damalige allgemeine Glaube annahm, V. 68.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_287.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)