Bezahlen läßt, nicht denke drum zu weichen
Vom guten Pfad und trau’ auf seine Huld!
Denk’ an die Folg’ – im schlimmsten Falle wird
Nur bis zum großen Spruch die Marter reichen.
Was dort sich naht. Sind’s menschliche Gestalten,
Was unstät jetzt vor meinen Augen flirrt?““
Entgegnet’ Er, „weil erdwärts tief gebückt
Vor schwerer Last sie Haupt und Schultern halten.
Sieh scharf, und du entwirrst gequälte Schatten,
Und siehst genau, was Jeden niederdrückt.“
Der Fuß schlüpft rückwärts, doch, am Geiste blind,
Glaubt ihr vortrefflich geh’ eu’r Lauf von statten.
Bestimmt zu jenes Schmetterlings Entfaltung,
Deß Flug nie der Gerechtigkeit entrinnt.
Gewürm, das öfters, wenn’s der Pupp’ entflieht,
Verkrüppelt ist zu schnöder Mißgestaltung!
Anstatt des Simses tragend Dach und Decken,
Gekrümmt, daß sich das Knie zum Busen zieht,
- ↑ 112. In dem ersten, folglich dem weitesten Kreise, reinigen sich die Hochmüthigen von ihrer Schuld, indem sie, tief niedergedrückt von schweren Lasten, den Berg umwandeln. Wie sie im Leben, die Bürde ihrer Mängel nicht fühlend, mit hochragendem Haupte einhergingen, so gehen sie jetzt, im Gefühl dieser Last demüthig zur Erde gebückt, und erkennen, wie viel jeder menschliche Vorzug und der daraus entspringende Ruhm werth, wie wenig begründet menschlicher Stolz sei. – Daß Dante von Weitem die Tiefgebückten nicht sogleich als menschliche Gestalten erkennt, erläutert sich aus ihrer Haltung.
- ↑ 130. Die Karyatiden.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_256.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)