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Zur andern Seite dessen, der mich führte,

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Geschmückt mit andern schönen Schilderei’n.

Drum trat ich, vor Virgil vorbeigeschritten,
Ihm näher, um zum Schaun bequem zu sein.

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Der Wagen war, in Marmor eingeschnitten,[1]

Die stierbespannte Bundeslade da,
Drob ungeheischtes Dienen Straf’ erlitten.

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Das Volk voraus, in sieben Chören, sah

Ich jubelnd ziehn, und fragt’ ich: ob sie singen?
So sagt’ ein Sinn mir Nein, der andre Ja!

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Sah Weihrauchduft sich in die Lüfte schwingen,

Und auch bei diesem Bilde ließen schwer
Geruch sich und Gesicht zum Einklang bringen.

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Im Tanze vor der heil’gen Lade her,

Sah ich erhöht in Demuth den Psalmisten,
Der minder hier, als König war, und mehr,

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Und, wie erfüllt von Ränken und von Listen,

Am Fenster des Palasts mit schnödem Wort
Spöttisch bewundernd, sich die Michal brüsten.

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Darauf bewegt’ ich mich von meinem Ort,

Um weiter hin ein andres Bild zu schauen,[2]
Und sah den edlen Römerherrscher dort

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Zu hohem Ruhm in Marmor eingehauen,

Ihn, der zum großen Siege den Gregor


  1. 55. David, die Bundeslade abholend, tanzte im leinenen Rocke vor ihr her, und achtete nicht des Spottes der Michal, die ihn verhöhnte, daß er, nicht gedenkend seiner königlichen Würde, vor dem Volke getanzt habe, indem er antwortete: Ich will noch geringer werden, denn also, und will niedrig sein in meinen Augen. Er war hier minder als König, weil er sich so demüthig dem Volke mischte, mehr, weil er als Diener Gottes bei Gott Gnade fand. – Usa, der Levit, vergaß des Gebotes, daß kein Levit die Bundeslade berühren dürfe, und wollte sie stützen, als der Wagen zu fallen drohte. Dafür traf ihn unmittelbarer Tod. (Vgl. 2tes Buch Sam. Kap. 6.)
  2. 71. Nach einer nicht historisch verbürgten Anekdote soll Trajan, von einer Wittwe, deren Sohn ermordet worden war, um Gerechtigkeit angefleht, einen Heereszug, den er eben unternehmen wollte, so lange aufgeschoben haben, als nöthig war, um den Mörder zu bestrafen. Thomas von Aquino versichert, dieser Zug von Milde und Gerechtigkeit habe den heiligen Gregor so gerührt, daß er von Gott die Erlösung des Kaisers aus der Verdammniß erfleht habe.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_254.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)