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109
Der Schatten, der, von Nino’s Ruf bewogen,[1]

Sich uns genähert, hatte bei dem Straus
Den Blick von mir doch nimmer abgezogen.

112
„Soll jener Leuchte, die zu Gottes Haus[2]

Dich führt, in deinem Willen und Verstande
Das Oel der Nahrung niemals gehen aus,“

115
Begann er, „laß, wenn von der Magra Strande,

Du wahre Kunde hast, sie werden mir;
Denn wiss’, ich war einst groß in jenem Lande.

118
Corrado Malaspina spricht mit dir,

Der Alte bin ich nicht, doch ihm entsprungen;
Die Meinen liebt’ ich stets, doch reiner hier.“

121
„„O,““ sprach ich, „„nimmer noch ist mir’s gelungen,

Dies Land zu sehn, allein sein Nam’ und Werth
Ist, wo man in Europa sei, erklungen.

124
Der Ruf, der euer Haus erhebt und ehrt,

Schallt zu der Herr’n, schallt zu des Landes Preise,
So daß, wer dort nicht war, davon erfährt.

127
Ich schwör’ es dir beim Ziele meiner Reise,

Daß dein Geschlecht in voller Blüte steht,
Des Muths, der Gastlichkeit, der edlen Weise.

130
Und wenn die Tollheit alle Welt verdreht,

Sitt’ und Natur wird ihm den Vorzug schenken,
Daß es allein den schlechten Weg verschmäht.““

133
Und Er: „Jetzt geh’, nicht siebenmal versenken

Wird sich die Sonn’ im Bett an jenem Ort,
Den rings umher des Widders Füß’ umschränken,


  1. 109. Der Schatten, der sich nun zu erkennen gibt, ist der Vetter des Marchese Marcello Malaspina, welcher im Jahre 1307 den verbannten Dichter freundlich bei sich aufnahm. Der Edelmuth und die Gastlichkeit desselben verdienten um so mehr anerkennende Dankbarkeit, da er Mitglied einer Partei war, die dem Dichter feindlich gegenüberstand. In den letzten Versen des Gesanges wird die Verbannung des Dichters und die gastliche Aufnahme, die ihm Malaspina gewähren wird, vorausgesagt [ehe die Sonne siebenmal im Widder steht, d. h. ehe sieben Jahre vergehen]. Magra ist ein Fluß in einem Thale der Lunigiana, welche dem Malaspina gehörte.
  2. [112 ff. Eine der häufigen Anwünschungen der Schatten, um den Dante zu veranlassen, ihre Bitten auf Erden zu erfüllen; so viel als „soll dem Trieb der Gnade in dir dein guter und folgsamer Wille bis zum Ziele deiner Läuterung nicht fehlen, so – –“]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_245.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)