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Am Fuße dieses Berges ausgestiegen?“

58
„„Heut Morgen kam ich aus der Hölle her,““

Entgegnet’ ich, „„und bin im ersten Leben,
Doch suche hier des künftigen Gewähr.““

61
Ich sah, als ich die Antwort ihm gegeben,[1]

Zurückgetreten den Sordell und ihn,
Erstaunt, als hätt’ ein Wunder sich begeben.

64
Sordell, gekehrt zu dem Virgil, und Nin

Zu Einem, der dort saß am Thalgestade:
„Sieh, Konrad, welche Huld uns Gott verlieh’n!“

67
Und drauf zu mir: „Erwies besondre Gnade

Dir Der, deß erster Grund verborgen ruht,
Wohin kein Geist je findet Furt und Pfade,

70
So sag’ einst jenseits dieser weiten Flut

Meiner Johanna, daß sie für mich flehe,[2]
Zu ihm, der nach dem Flehn der Unschuld thut.

73
Nicht liebt die Mutter wohl mich noch, wie ehe,

Da sie den Wittwenschleier abgelegt,
Nach dem sie bald sich sehnt in ihrem Wehe.

76
An ihr sieh, wie ein Weib zu lieben pflegt,

Wenn ihre Liebesglut nicht um die Wette
Von Blicken und Berührung wird erregt.

79
Gewiß wird einstens ihre Grabesstätte

Von Mailands Schlange nicht so schön geschmückt,
Als sie geschmückt der Hahn Gallura’s hätte.“

82
Er sprach’s, und ihm im Antlitz ausgedrückt

War ein gerechter Eifer, der dem Weisen
Wohl durch das Herz, doch nur gemäßigt, zückt.

85
Ich blickte sehnlich nach des Himmels Kreisen,

  1. 61. Die Seelen des Fegefeuers haben früher am Schatten erkannt, daß Dante ein Lebender sei. Allein nach Ges. 6, V. 55 waren die Strahlen der Sonne verschwunden, als die Dichter den Sordell trafen. Den Nino fanden sie erst in tiefer Dämmerung, so daß Beide den Schatten Dante’s nicht gesehen haben konnten. Daher ihr jetziges Erstaunen.
  2. 71. Nino’s Wittwe [Beatrix von Este] hatte sich an Galeazzo von Visconti wieder vermählt, dessen Geschlecht eine Schlange im Wappen führte. Das Wappen von Gallura dagegen war ein Hahn. Unwillig darüber, daß seine Wittwe ihn vergessen, weist Nino den Dante nicht an diese, sondern an seine Tochter Johanna, um sie zu bitten, daß sie durch frommes Gebet sein Harren abkürze.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_243.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)