Mein Cäsar, ach, warum nicht mir vereint?
Komm her, und fühlst du dann auch Mitleid nicht,
So schäme dich, daß Alle dich verhöhnen. –
Der du für uns gekreuzigt wardst auf Erden,
Ist anderwärts gewandt dein Angesicht?
Ein neues Heil, von keinem Aug’ entdeckt,
Nach deinem tiefen Rath bereitet werden?
Will sich ein Bauer der Partei verschwören,
Gleich heißt’s von ihm, Marcell sei auferweckt.
Da dieser Abschweif nimmer dich berührt.
Nie ließ sich ja dein wackres Volk bethören.
Man etwas spät, wie sehr es ihr gewogen,
Indeß dein Volk sie stets im Munde führt.
Nimmt sie dein Volk freiwillig an und schreit:
Nur her! Ich werd’ nicht krumm dadurch gebogen!
Du Reiche, du Friedselige, du Weise –
Ich red’ im Ernst, die Wahrheit liegt nicht weit.
Sollt’ ihr Gesetz wohl werth der Rede sein,
Wie sehr man’s anpreist, neben deinem Preise?
- ↑ 115. Kein Leser wird hier die bitterste Ironie eines ergrimmten Herzens verkennen.
- ↑ 124. Zum Tyrannen wird jener Gewalthaber, der nicht durch das Gesetz und nach dem Gesetz regiert, und solcher Tyrannen gab es, wie immer in Zeiten der Parteiung, fast in jeder Stadt Italiens, wo die guelfische Partei die Freiheit zu ihrem Wahlspruch nahm. Jeder elende Mensch, der der Partei beitrat, wurde wie ein Marcellus betrachtet, der sich einst der Herrschaft Cäsars entgegensetzte.
- ↑ 127. Auch in dem, was hier von Florenz gesagt ist, wird man die grimmigste Ironie nicht verkennen.
- ↑ [142 ff. Philalethes führt allein zwischen 1213 und 1307 siebenzehn Verfassungs-Umwälzungen in Florenz an!]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_234.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)