Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 226.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
67
Und solltest du, ein Lebender, die Auen

Der Mark Ankona jemals wiedersehn,[1]
So will ich fest auf deine Güte bauen.

70
Laß die von Fano gläubig für mich flehn,

Daß mir gestatten himmlische Gewalten,
Zur Reinigung von schwerer Schuld zu gehn.

73
Von dort war ich – allein die tiefen Spalten,

Woraus das Blut, in dem ich lebte, floß,
Hab’ ich in Paduas Bezirk erhalten,

76
Deß Schooß mich, den Vertrauenden, umschloß.

Zum Mord hatt’ Este den Befehl gegeben,
Der mehr der Gall’, als recht, auf mich ergoß.

79
Den Mordstahl sah ich bei Oriac sich heben,[2]

Doch wenn ich Mira mir zur Flucht erkor,[3]
So würd’ ich dort noch, wo man athmet, leben.

82
Ich lief zum Sumpf und dort in Schlamm und Rohr

Verstrickt’ ich mich und fiel und sah die Erde
Rings um mich her gemacht zum blut’gen Moor.“

85
Ein Andrer: „Wie dein Wunsch befriedigt werde,

Deß Fittig hin zum Bergesgipfel fleugt,
So kürz’ auch mir mitleidig die Beschwerde.

88
In Montefeltro hat mich Guid’ erzeugt;

Ach wenn Johannen noch mein Schicksal rührte,
Nicht ging ich mehr mit diesem hier gebeugt.“

91
„„Welche Gewaltthat, welch’ Verhängniß führte,““

So sprach ich, „„dich so weit vom Campaldin,


  1. 68. Der Schatten, der hier spricht, ist Jacob del Cassero, Bürger von Fano, welchen der Markgraf Azzo der Dritte von Este bei Oriaco im Paduanischen ermorden ließ, indem er nach Mailand reisen wollte, um dort die Stelle des Podesta anzutreten. Er hatte sich als Podesta von Bologna dem Azzo, der immer weiter um sich griff, entgegengesetzt, den Abfall desselben von der Partei der Ghibellinen auf das Härteste getadelt und sich dadurch dessen Haß zugezogen.
  2. 79. Mira, ein Ort im Paduanischen.
  3. 80. Buonconte, Sohn des Guido von Montefeltro, ein Ghibellin, blieb in der Ebene vom Campaldino, in welcher seine Partei von den Guelfen geschlagen ward. Sein Leichnam wurde nirgends gefunden, daher hier die Dichtkunst entdeckt, was der Geschichte verborgen blieb. Johanna, Buonconte’s Gattin, soll durch den Dichter von dem Schicksale des Gemahls unterrichtet werden, um durch Gebet sein Harren vor der Pforte des Fegefeuers abzukürzen.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)