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Und thun, als lebt er noch in jenem Land.“

7
Sobald mein Ohr erreicht die Töne hatten,

Kehrt’ ich mich ihnen zu, und Jene sahn
Erstaunt nur mich, nur mich und meinen Schatten.

10
Da sprach Virgil: „Was zieht dich also an,[1]

Daß du den Gang zum Gipfel aufgeschoben?
Und jenes Flüstern, was hat dir’s gethan?

13
Was man auch spreche, folge mir nach oben!

Steh’ wie ein fester Thurm, des stolzes Haupt
Nie wankend ragt, wenn auch die Winde toben.

16
Das Ziel entweicht, dem man sich nah’ geglaubt,

Wenn sich Gedanken und Gedanken jagen
Und einer stets die Kraft dem andern raubt.“

19
„„Ich komme schon!““ was konnt’ ich anders sagen,

Da mich mein Fehler zum Erröthen zwang,
Das oft mir schon Verzeihung eingetragen?

22
Indessen sahn wir quer am Bergeshang

Nah’ vor uns eine Schaar von Seelen kommen,
Die Vers für Vers ihr Miserere sang.

25
Wie sie an meinem Leib nun wahrgenommen,

Daß er den Strahlen undurchdringlich sei,
Da ward ihr Sang zum O! lang und beklommen.

28
Und, gleich Gesandten, kamen ihrer Zwei,

Uns beide zu befragen, wer wir wären,
In vollem Laufe bis zu uns herbei.

31
Da rief Virgil: „Ihr könnt zurückekehren,

Sein Leib ist wirklich ganz von Fleisch und Bein,
Und solches mögt ihr Jenen dort erklären.

34
Und wenn sie, wie ich glaube, dort allein

Um seinen Schatten anzuseh’n, verweilen,


  1. 10. Wiederholung der Erinnerung, daß ein bedeutendes Ziel fest im Auge behalten und nicht durch zerstreuende Aufmerksamkeit auf minder Bedeutendes das Streben darnach geschwächt und unterbrochen werden müsse.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_224.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)