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Hermann Löns: Da draußen vor dem Tore

strotzten vom Segen der Waldfrau, vorüber an Quellsümpfen, mitten durch enkeltiefen Treibsand, bis sie vor mir lag, die herbe Senne. Und da sah ich sie auch, sah das gute Gesicht der ernsten, stillen Frau, und meine Augen nur grüßten sie, Frau Einsamkeit. Um ihren Kopf wehte ein zarter grauer Schleier, um ihre starken Glieder floß das braune, gelb geflammte, rosig überhauchte, grün besetzte vornehme Kleid, das langhin schleppte und den Treibsand mülmend aufwirbeln ließ; und so stolz sie ist und so langweilig sie sein kann bei lautem Volk, mich mag sie gern, und mir ist sie gut, weil ich gerade so still bin wie sie und nur froh bin bei ihr; denn sie ist eifersüchtig und duldet keinen neben sich; und so legte sie die feste, angebräunte, schöne Hand in meine und schob ihren Arm unter meinen und ging mit mir, den Rand der Senne entlang.

Einen Teppich hatte sie breiten lassen unter unseren Füßen, weich und schön. Blühende Heide war es und schneeweißer Sand und blaues Büschelgras, gestickt mit goldgelbem Habichtskraut; und da Grauduft den Blauhimmel verbarg, so hatte sie ein Stück Himmel heimlich mitgenommen und ihn zerpflückt und gab den Stückchen Leben und streute ihn nun vor uns her, daß er tanzte über die rosige Heide, ein Gewimmel kleiner blauer Falter, die jeder goldenen Sternblume einen Kuß gaben und immer weiter vor uns hertanzten, leicht und luftig. Und auch ein bißchen Sonne hatte sie gestohlen und in große, gelbe Schwalbenschwänze verwandelt, die vor uns hinschwebten. Und um jedes dürftige Heidblütchen summten die Immen, und überall

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Hermann Löns: Da draußen vor dem Tore. J. Schnell, Warendorf 1911, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Da_drau%C3%9Fen_vor_dem_Tore.pdf/112&oldid=- (Version vom 31.7.2018)