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Ausgeburt der Philisterhaftigkeit, das getreue Abbild ihrer eigenen Menschenfreundlichkeit, das volle Echo derselben Klagen, in welche auch sie ausbricht, die gleiche Reformsucht in Dingen, an denen so wenig mehr zu reformieren ist, als am Türkenthum. Mahmud II. war nicht der einzige wohlwollende und unnütze Reformator unserer Zeit; der gesammte Liberalismus — und wer wäre heute nicht, er stehe hoch oder niedrig, liberal! — veredelt unter grossen Hoffnungen ein Türkenthum. „Unsere Zeit ist krank!“ so redet betrübten Blickes der Freund den Freund an, und alsbald machen beide einen botanischen Streifzug, um unter den lieblichen Kräutern des Landes das „rechte Heilmittel“ zu suchen.

Ihr Freunde, eure Zeit ist nicht krank, sie ist abgelebt; darum quält sie nicht mit Heilversuchen, sondern erleichtert ihr letztes Stündlein durch Beschleunigung und lasst sie — genesen, kann sie nicht mehr — lasst sie sterben.

„Ueberall Mängel, Gebrechen!“ Das räumt ihr selbst ein, und hegtet ihr etwa noch Zweifel, so schlagt die Mysterien auf, um das ganze Elend der Gebrechlichkeit anzuschauen. Versucht’s einmal, das Türkenthum zu „reformiren.“ Indem ihr hofft, es zu heilen, werdet ihr’s — zerfetzen. Es hat keine Mängel, so wenig als ein Greis, als Greis deren hat. Freilich geht dem Greise die Kraftfülle der Jugend ab, aber er wäre eben nicht Greis, wenn er sie hätte, und wer diesem „Mangel“ des Greisenalters abhelfen wollte, der wäre ein wohlmeinender Reformator, wie Mahmud II. und unsere Liberalen. Der Greis geht der Auflösung entgegen, ihr aber möchtet ihn verjüngen, sein schlotterndes Gebein wieder straff ziehen. Nicht krank ist unsere Zeit, um geheilt zu werden, sondern alt ist sie und ihr Stündlein hat geschlagen. Dennoch springen Tausende von E. Sue’s herbei und bieten ihre heilsamen Quacksalbereien an.