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und Gehorsam, als ein ergebener und folgsamer Dienstbote verharren, und welche Geschichte auch ihr nun folgendes Leben aufzeigen möge, sie wird immer nur die Schickungen enthalten, welche der strenge Dienst ihrer Gottheit über Marien, die treue Magd, verhängt.

Den Klauen der Eule, die nur den Leib verderben konnte, entronnen, geräth Marie in die Macht des Priesters, der ihre zarte Seele mit der frommen Lehre verdirbt, dass ihr Leben von nun an ein Leben der Busse sein müsse, um bei Gott sich dafür die künftige Vergebung zu erkaufen. Das entscheidet über ihre ganze Zukunft. Dieser Wurm, den ihr der Priester ins Herz setzte, nagt fort und fort, bis er sie zur Entsagung und Zurückziehung aus der Welt gezwungen, und endlich gar das gottergebene Herz zerfressen und zerbröckelt hat. Und doch ist jene fromme Lehre des Priesters die wahre Lehre der Sittlichkeit, gegen welche zuletzt alle „vernünftigen“ Einwendungen Rudolphs verstummen müssen.

Rudolph nämlich giebt sich der süssen Hoffnung hin, am Hofe zu Gerolstein mit Marien, seinem reizenden Töchterchen, die Wonne eines innigen Familienlebens und die Freuden eines Vaters kosten zu können, der sein von Allen verehrtes und angebetetes Kind, die sittsame und tugendreiche Prinzessin, täglich mit neuen Gaben der Liebe überhäufen, und für die einst erduldeten Qualen eines verstossenen Daseins fürstlich und väterlich entschädigen kann. Alle Lust der Welt, wie sie ein grossherzoglicher Hof nur bieten kann, soll ihr von nun an offen stehen.

Aber um welchen Preis müsste Marie die Lust der Welt erkaufen? Nur wenn Niemand ihre frühere Aufführung erfährt, wird man die Liebenswürdigkeit ihres gegenwärtigen Betragens anerkennen; erführe man sie, so schützte kein Glanz der Krone die arme Prinzessin vor den giftigen Blicken und dem verächtlichen Achselzucken dieser unerbittlichen Verehrer der Sittenreinheit. Das weiss Rudolph