Seite:DE Stirner Schriften 240.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bis im 18. Jahrhundert die Aufklärung ihr Licht zu verbreiten anfing, lag die sogenannte höhere Bildung ohne Einspruch in den Händen der Humanisten und beruhte fast allein auf dem Verständnis der alten Klassiker. Daneben ging eine andere Bildung einher, welche ihr Muster gleichfalls im Alterthum suchte und der Hauptsache nach auf eine erkleckliche Kenntnis der Bibel hinauskam. Dass man in beiden Fällen die beste Bildung der antiken Welt zu seinem einzigen Stoff ausersah, beweist genugsam, wie wenig das eigene Leben noch etwas Würdiges darbot, und wie weit wir noch davon entfernt waren, aus eigener Originalität die Formen der Schönheit, aus eigener Vernunft den Inhalt der Wahrheit erschaffen zu können. Wir hatten Form und Inhalt erst zu lernen, wir waren Lehrlinge. Und wie die antike Welt durch Klassiker und Bibel als Herrin über uns gebot, so war — was sich historisch beweisen lässt — das Herr- und Diener-Sein überhaupt das Wesen unseres gesammten Treibens, und lediglich aus dieser Natur des Zeitalters erklärt es sich, warum man so unbefangen nach einer „höheren Bildung“ trachtete und vor dem gemeinen Volke sich durch sie auszuzeichnen beflissen war. Mit der Bildung wurde ihr Besitzer ein Herr der Ungebildeten. Eine volkstümliche Bildung würde dem entgegen gewesen sein, weil das Volk den gelehrten Herrn gegenüber im Laienstande verharren und die fremde Herrlichkeit nur anstaunen und verehren sollte. So setzte sich der Romanismus in der Gelehrsamkeit fort, und seine Stützen sind Latein und Griechisch. Ferner konnte es nicht fehlen, dass diese Bildung durchgehends eine formelle blieb, sowohl deshalb, weil von dem verstorbenen und längst begrabenen Alterthum ja nur die Formen, gleichsam die Schemen der Literatur und Kunst, sich zu erhalten im Stande waren, als besonders deshalb, weil Herrschaft über Menschen gerade durch formelles Uebergewicht erworben und behauptet wird: es bedarf nur