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Ist es von sechs evangelisch-theologischen Facultäten und so und so viel darin befaßten Theologen nicht mehr als naiv, über die Nothwendigkeit ihres Bestehens nicht nur selbst nicht das geringste Nachdenken anzustellen, sondern auch der Welt noch zuzumuthen, daß sie sich ein solches Bedenken nicht einfallen lassen, vielmehr jeder „Besonnene“ und jeder „billige Richter“ ihnen mit Hand und Mund beistimmen werde? Bruno Bauer bestreitet in den Synoptikern ausdrücklich jenes Recht der Theologen, zu „bestehen“ („Hebe dich weg von mir, Theologe!“), macht dieses Recht zwei Bände hindurch zu nichte, hält Gericht über sie, und nun – man belustige sich an dem Humor! – treten die Gerichteten auf, um über Jenen Gericht zu halten. Sie danken dem Minister gelegentlich dafür, daß ihnen Gelegenheit gegeben worden, Richter in ihrer eigenen Sache zu sein. Doch der Humor der Sache wäre nicht vollständig, wenn diese Richter etwa doch noch mit Selbstverläugnung auf die wirkliche Frage eingingen. Behüte! Die „besonnenen und billigen Richter“ fragen nicht: haben wir ein Recht zu „bestehen“ oder hat Bauer Recht, daß wir Theologen sammt und sonders unser Leben aufgeben müssen, wenn wir es gewinnen wollen? sondern so: Thut Bauer nicht unserm – unzweifelhaften und heiligen – Rechte, zu bestehen, durch sein Verfahren Eintrag, und muß er nicht deshalb ausgestoßen werden? Darüber sind sie denn verschiedener Meinung und gewähren uns in diesem Gutachten ein lustiges, aber doch herzlich langweiliges Schauspiel theologischer Gewissenhaftigkeiten. Dies also wäre der Allen gemeinsame Charakter, daß sie, gleich jenem Dichterling, an der Nothwendigkeit ihres Lebens gar kein Arg haben. „Wir müssen leben!“ Das ist der Gedanke des flachsten Egoismus; denn wie will man anders den Egoisten definiren, als so, daß ihm das Leben der Güter höchstes ist? Den Tod wird er nur dann wünschen und wählen, wenn ihm das „Leben“ verleidet

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)