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verdienten. Größere Betheiligung des Volkes an dem Staatsleben, innigere organische Einigung der verschiedenen Provinzen, sittliche Kräftigung Preußens und des gesammten deutschen Vaterlandes wären die unausbleiblichen, nicht genug zu preisenden Folgen dieser königlichen Überzeugung gewesen. Wie hier, so habe ich in der incriminirten Schrift unverhohlen meine politische Ansicht ausgesprochen. Wird deshalb meine Gesinnung für eine „verwerfliche“ erklärt, so theile ich dieses Geschick mit den tüchtigsten Männern unserer Zeit; habe ich, also urtheilend, einen „Gedankenfrevel“ begangen, so haben die treuesten Diener des Staats, Stein und Hardenberg, gleichfalls gefrevelt. „Cogitationis poenam nemo patitur!“ Nur allein auf Grund dieses Rechtssatzes spricht mich das Erkenntniß vom Hochverrathe frei. Derselbe Rechtssatz hätte mich aber auch vor jeder Gedanken-Inquisition schützen sollen, während er nun – nach dem Versuche mich möglichst zu verdächtigen – nur als warnendes Zeichen einer ironischen Großmuth dasteht. Der freisprechende Richter hat sich nicht auf den Nachweis beschränkt, daß in meiner Schrift keine Auffoderung zu einer die Verfassung umstürzenden Thathandlung enthalten sei; er versucht zugleich darzuthun, daß es nicht etwa meine loyale Gesinnung gewesen, die mich von dem Verbrechen abgehalten, sondern nur die kluge Erwägung der Unausführbarkeit derselben. „Eine Auffoderung – so lauten seine Worte – eine Auffoderung an das gesammte preußische Volk, von der Regierung abzufallen, ist ein so widersinniges Unternehmen, daß man dasselbe nicht für dargethan erachten kann, wenn es nicht klar und unzweideutig ausgesprochen ist. Wer ernstlich etwas beabsichtigt und nicht geisteszerrüttet ist, wird zu seinem Zweck nicht ein Mittel wählen, welches nach den gegebenen Umständen unmöglich das beabsichtigte Ziel treffen kann.“ Während sonst Geisteszerrüttung unzurechnungsfähig macht, werde ich freigesprochen, weil ich

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)