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Gesetz sanctionirt, und wenngleich nicht immer von den Censoren, doch stets von den Gerichtshöfen anerkannt worden. Bedarf es hierzu noch eines Beleges, so erinnere ich an die vielen Schriften, die das Verfahren der Regierung gegen den Erzbischof von Köln auf das schärfste angriffen, ohne Criminaluntersuchung zur Folge zu haben ..... Angenommen, ein Publicist nenne, auf so einleuchtende Thatsachen gestützt, die Jetztregierung minder liberal als die frühere, kann, frage ich, dieses historische Urtheil als eine strafwürdige Beleidigung gelten? Schon in älterer Zeit machten die Rechtsverwalter den Versuch, gegen Angriffe auf ihre Verwaltung sich durch die lex majestatis zu schützen; sie zogen sich aber dadurch nur selbst den Tadel der Geschichtsschreiber und Rechtsverständigen zu. Moralisch wie gesetzlich muß ein Urtheil über die (politische) Meinung eines Mannes von dem Urtheile über dessen Gesinnung wohl unterschieden werden. Die politische Meinung auch des höchstgestellten Mannes öffentlich zu bestreiten, steht Jedem frei, nur wer die Gesinnung desselben verdächtigt, macht sich einer Beleidigung schuldig. Es kann Jemand die Rückkehr zu längst abgestorbenen Principien als den Gipfel des Völkerglückes betrachten und doch ein ganz ehrenwerther Mann sein; hieraus folgt, daß die Aeußerung, Jemand sei reactionair oder antiliberal, schon deshalb keine Injurie ist, weil derselben die Hauptbedingung jeder Injurie, die Ehrverletzung des Andern, abgeht. Setzen doch manche Staatsdiener sogar ein Verdienst darein, offen über den Liberalismus der Gegenwart den Stab zu brechen; nimmermehr können sie daher durch eine Aeußerung wie die obige sich verletzt fühlen, geschweige denn eine gerichtliche Anklage darauf zu begründen geneigt sein .... Majestät ist die dem Staatsoberhaupte zukommende höchste bürgerliche Ehre. Verletzung dieser Ehre, Majestätsbeleidigung, umfaßt daher alle diejenigen Handlungen, welche, wenn sie gegen eine Privatperson gerichtet wären,

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)