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kleinste Detail der Geschichte sich verlaufen, war das Factum constatirt. Der unterzeichnete Name ergab eine deutlich geschriebene und dennoch unentzifferbare Chiffre. Es war dem Könige daran gelegen, den Verfasser dieses Briefes kennen zu lernen, und Hr. v. Rochow erhielt den Auftrag, ihn wo möglich zu ermitteln, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken des Königs, daß er den Schreiber eines so gründlichen Aufsatzes schätze und nur im Sinne dieser Achtung seinen Namen zu erfahren verlange. Ein deshalb befragter Ältester der Judenschaft wußte keinen Aufschluß zu geben, und der Verfasser selbst hat sich noch nicht gemeldet. So märchenhaft das Ereigniß aussieht, so ist doch mein Gewährsmann, weil selbst dabei betheiligt, glaubhaft genug, um seiner Erzählung das Gepräge unverfälschter Wahrheit zu geben, und ich trage deshalb kein Bedenken, dieselbe mitzutheilen. – Neulich fand sich in einer unserer Zeitungen unter der Überschrift „Lehrfreiheit“ (die Aufschrift war einem Engelbild ähnlich, das auf einer moderdunstigen Todtengruft steht) folgender Anfang: „Über Lehrfreiheit auf den Universitäten oder vielmehr über die Begrenzung der Lehrfreiheit wird das Aufsichtsrecht von Theoretikern der Staatsverwaltung streitig gemacht. Der praktische Standpunkt hält die Sache unzweifelhaft. Jedem Rechte steht eine Pflicht gegenüber. Wem mit einem Lehramte das Recht übertragen ist, Jünglinge in einer bestimmten Wissenschaft zu unterweisen, dem ist zugleich die Pflicht damit auferlegt, sie nicht aus der Bahn sittlicher Menschen und treuer Unterthanen zu bringen.“ Klingt das nicht erhaben und unwiderleglich? Das ist der wahre Ton unserer guten Gesellschaft. Als ich es las, glaubte ich diesen und jenen mir bekannten Geheimrath, Hofrath und sonstigen Rath wohlgefällig sich aussprechen zu hören. So geistreich spricht nur, wer feine Manieren, Esprit und patriotisches Selbstgefühl hat. So ungewaschen freilich spricht auch kein Anderer. „Jedem Rechte steht eine Pflicht

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)