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und amerikanische Freiheit über das Meer und über den Canal auch mit herüberzubringen! Der freie Mensch kann selbst die — qualvolle Last einer Hochkirche ertragen, bis er sie endlich abschüttelt; Ihr aber möchtet Euch gerne noch die Tyrannei englischer Gewissensbeschränktheit aufladen zu Euren andern Bürden, Alles in blinder Dienstergebenheit.

Nein, vorwärts winkt uns das Heil, nicht rückwärts; oder können wir in unserer Mutter Leib zurückkehren? Versteht man die Wiedergeburt noch immer so, wie einst Nicodemus, und findet sie nicht einmal so widersinnig, wie er? Weil unsere Vorfahren glücklich waren durch ihre Frömmigkeit, darum ist uns noch nicht das gleiche Los durch ein gleiches Mittel bestimmt. Es wäre das kaum anders, als wenn der vierzigjährige Mensch noch immer in Spiel und Tanz seine Freude finden müßte, weil sie vor zwanzig Jahren ihn vergnügten. Nein, die Zeiten der Frömmigkeit sind vorüber, und was man heutiges Tages fromm nennt, das darf sich wahrlich nicht mit der echten Frömmigkeit unserer Voreltern vergleichen. Damals ein gesunder, naturgemäßer Zustand — ist sie heute eine krankhafte Ueberreizung oder eine Täuschung Anderer und unserer selbst, eine Lüge, die wir Furcht haben uns einzugestehen. Die Gegenwart fordert das rein Menschliche, das allein das wahrhaft Göttliche ist, sie fordert nicht Frömmigkeit, sondern Sittlichkeit und Vernünftigkeit; mündige Männlichkeit des Geistes, nicht bevormundete Kindlichkeit; Begeisterung für die ewig gegenwärtige Welt des Wollens und Handelns, nicht blind ergebene Sehnsucht nach dem Jenseits. Das könntet Ihr alle wissen, wenn Ihr nur recht bedenken wolltet, wie Ihr schon wirklich gesonnen seid. Fragt Ihr etwa bei Euren Dichtern, die Ihr so innig verehrt, ob sie fromme Christen gewesen? Liebt Ihr Schiller weniger, als Klopstock, weil dieser einen Messias ganz im Tone unserer hinaufgeschraubten Frömmigkeit

Empfohlene Zitierweise:
Max Stirner: Gegenwort aus Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. Berlin 1914, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)