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sein, antwortete er mir: „je vous remerci cordialement de votre hospitalité en Silésie; je suis bien vieux, mais qui sait le terme de notre misérable vie. – Vivent les Rois, quand même!“ Diesen Brief, mit dem Stempel des General-Commandos von Catalonien versehen, besitze ich noch und bewahre ihn sorgfältig, einer Reliquie gleich.[1]


  1. Obgleich die Ermordung des Grafen de España in eine Epoche fällt, als ich mich nicht mehr in Catalonien befand, so glaube ich doch, zur Ergänzung der Skizzen über meinen alten General, die Geschichte dieses schauderhaften Vorfalls hierher schreiben zu müssen. Die Einnahme on Ripoll, einige glückliche Gefechte und die um Vieles vervollkommnete militärische Organisation seiner Provinz, hatten dem Grafen de España eine imposante Stellung gegeben, als der König im September 1839 den französischen Boden betrat. Wenn gleich die, durch den General eingeführte Ordnung, den Häuptlingen und der Junta nicht gefiel, so war doch nunmehr ihr Einfluß neutralisirt, und sie sahen sich darauf beschränkt, Intriguen mit dem königlichen Hoflager zu unterhalten, nachtheilige Gerüchte auszustreuen, das Vertrauen des Königs und der Armee zu untergraben und überall gegen die Autorität des Grafen de España aufzuwiegeln. Er kannte alle diese Umtriebe; doch verachtete er sie, vielleicht zu sehr. [325] Als die Nachricht nach Catalonien kam, daß der König Spanien verlassen, befürchtete de España die Folgen des ersten Eindrucks. Diesem zuvorzukommen, dem sinkenden Enthusiasmus einen neuen Impuls zu geben, suchte der Graf alle Erinnerungen zu wecken, die im Herzen jedes Spaniers, aus den großen Zeiten ihres Befreiungskampfes fortleben. Eine Maßregel, welche in dieser heroischen Epoche von den bedeutendsten Folgen gewesen, schien ihm geeignet, gleichen Anklang zu finden – es ist die Souveränetät und königliche Machtvollkommenheit der Provinzial-Juntas während der Abwesenheit und Gefangenschaft des Königs. So viele trübe, unglückliche Ereignisse hatten sich wiederholt: die gewaltsame Abdication im Schlosse von Marrac und der Verrath auf den Feldern von Vergara; Ferdinand VII. Gefangenschaft in Valençay und Carl’s V. Gefangenschaft in Burges – sollten denn die glanzvollen Momente sich nicht wiederfinden? – der General-Capitain Graf de España erklärte also unterm 1. October 1839 die Regierungsjunta von Catalonien, deren Präsident er war, souverän während der Abwesenheit und Gefangenschaft des Königs (Junta superior gubernativa, soberana durante la absencia y cautividad del Rey N. S.)dieß kostete ihm das Leben. [326] Der Präsident jeder spanischen Junta hat nur zwei Stimmen: die Junta kann sich legal, in seiner Abwesenheit, unter Vorsitz eines Vocals-Vicepräsidenten versammeln, in ihrem Pleno bei absoluter Majorität abschließen und decretiren. Der erste Beschluß der nun souverän gewordenen Junta, in geheimer Sitzung gefaßt, war: die Absetzung und Entfernung ihres General-Capitains und Präsidenten, des Grafen de España. Doch wagte sie nicht ihr Decret zu veröffentlichen, die Stimmung der Truppen scheuend, die – namentlich die Soldaten – enthusiastisch an ihrem Führer hingen. Ein geheimes Mittel, eine unwürdige Falle wurde auserwählt, in die sie den alten Feldherrn lockten. An einem bestimmten Tage fanden sich mehrere unzufriedene Häuptlinge in Avia ein, und als sie ihrer Helfershelfer versichert waren, ließen die Mitglieder der Junta, unter Vorsitz ihres Vicepräsidenten, des Brigadiers Don Jacinto Orteú, durch ihren Secretär Narciso Ferer, einen Advocaten aus Barcelona, dem Grafen de España nach Berga schreiben: einige wichtige Geschäfte erheischten seine Gegenwart; sie bäten ihn zu kommen, einer Sitzung zu präsidiren. Nur von wenigen Reitern, Miñonen und einem seiner Adjutanten, dem Oberstlieutenant Don Luis de Adell (einem tüchtigen, gebildeten jungen Offizier) begleitet, [327] traf der General-Capitän noch denselben Morgen in Avia ein, und ward vor dem Regierungsgebäude, von einigen Mitgliedern der Junta ehrfurchtsvoll empfangen. Als er in den Sitzungssaal trat, ging einer der Vocale mit dem Finanz-Intendanten Don Gaspar de Labandéro (Sohn des Ex-Finanz-Ministers) zum zurückgebliebenen Adjutanten, und schickten ihn, vorgeblich im Auftrage des General-Capitäns, sogleich nach Berga zurück. Dann wandten sie sich zum Cabo de Mozos und befahlen ihm, im Namen des Generals, sich mit seinen Leuten in ein nahestehendes Haus zu verfügen und dort abzukochen, da der Graf über Mittag bei den Herren der Junta verbleiben wolle. Die Cabos de Mozos hatten, ihrem Diensteide zufolge, nur vom General in Person Befehle zu empfangen, daher sich der Erwähnte anfänglich weigerte, Folge zu leisten. Doch stellte ihm Labandéro im natürlichsten Tone vor, dieses geringe Zutrauen sei wenig schmeichelhaft für ihn, den höchsten Finanz-Beamten der Provinz; wenn er übrigens den geringsten Zweifel hege, möge er hinaufgehen und den General selbst fragen. Dieser Nachsatz beruhigte den Cabo und er zog sich mit seinen Leuten zurück. Nun fiel die Escorte der Junta, zur Sicherheit und als Amtsboten ihr beigegeben und aus vierzig Gendarmen bestehend, über die vier reitenden Ordonnanzen des Generals her und band sie. [328] Während dieses sich mit der größten Schnelligkeit ereignete, trat der General-Capitain arglos in den Sitzungssaal. Er trug an diesem Tage seinen gewöhnlichen, blauen Oberrock von militärischem Zuschnitt, doch ohne alle Abzeichen seiner Würde, und nur auf der Brust mit dem gestickten Ritterkreuze von Santiago geziert; den Generalshut, Säbel und das Rohr mit goldnem Knopfe, in Spanien ein Zeichen des activen Commandos. Auf diesen Stock gestützt, ihn nach hinten haltend, stand der General vor dem Kamine im Sitzungssaal; allein, unter vierzehn Verschwornen, die alle Dolche und Pistolen unter ihren Gewändern verbargen. Mehrere Minuten vergingen; Keiner wagte Hand anzulegen an den ergrauten Helden. Da trat Don José Pons vor (el Bep del Oli, der Ex-Gouverneur von Berga), näherte sich ihm, stieß mit dem Fuße nach seinem Stocke, und als Graf de España zurückwankte, schlug er ihm zwischen die Beine von hinten, daß der General zu fallen kam. Da stürzten sie Alle über ihn her, wie die Krähen über den verwundeten Adler; zuerst rissen sie ihm seinen Säbel weg, dann banden sie ihn an einen Stuhl, und nun verlas ihm Ferer seine Absetzung. Der General verlangte die königliche Ordre zu sehen, der er sich allein unterwerfen wolle, und [329] schwor allen Anwesenden, er würde sie sonst hängen lassen; doch schrieen sie, er solle schweigen, und Ferer verkündete ihm, daß er und der Oberst Pons ihn unter Besatzung an die französische Grenze abführen würden. Er wurde geknebelt und in eine finstere Kammer geworfen. Als sein Adjutant aus Berga zurückkam, ward er, unter Vorschützung eines Befehls des Generals, arretirt und gefänglich eingezogen. Bei Nacht wurde endlich Graf de España hervorgerissen, auf einen Esel gesetzt und durch Ferer und Pons, unter Begleitung von zwanzig Mann Gendarmen der Junta, in größter Stille und Eile, auf kaum gangbaren Steigen nach den Wildnissen der höchsten Sierren abgeführt. Unterwegs gesellten sich mehrere Spießgesellen der Junta zu ihnen, deren Namen ich nicht verbürgen kann. Herr von Göben, der sich zu jener Zeit in Catalonien befand, erzählt in seinem Buche (Vier Jahre in Spanien, Erinnerungen aus dem Bürgerkriege), daß auch Porredon (el Ros de Eroles) und Mariano Orteú, einer der Adjutanten des Grafen, darunter gewesen; ja daß Letzterer eine Pistole auf ihn abgedrückt habe, als der sterbende Feldherr, im Glauben er komme ihm zu helfen, ihn noch schwach angerufen. Meine Quellen berichten, daß am dritten Tage eiligen Marsches die Mörder des Grafen de España mit [330] ihrer Beute zum Passe der drei Brücken (de los tres puentes) am obern Segre kamen. Als sie endlich auf der Brücke de los Espias standen, riß Bep del Oli den General vom Esel herunter, stieß ihm seinen langen Dolch in den Rücken und zeichnete ihn mit einem Kreuzhiebe über das ganze Gesicht weg, ihn unkenntlich zu machen. Hierauf nahm er ihn beim Kopfe, Ferer bei den Füßen und sie stürzten ihn in den Abgrund. Der Leichnam schwamm den Segre herab, bis zur kleinen Stadt Ager (de Segre), wo die Feinde Garnison hielten. Die Schildwache am Strome sah Nachts einen dunkeln Körper im Wasser; er ward herausgeholt und der wachthabende Offizier erkannte den königlichen General-Capitain von Catalonien, Grafen de España. Er berichtete nach Barcelona, das revolutionäre Spanien wäre nun seines gefährlichsten Feindes entledigt; ich weiß nicht ob nach Bourges geschrieben worden, daß König Carl V. seinen treuesten Diener, größten Feldherrn verloren. Graf Carl de España war Graf von Foix, Vicomte von Couserans und von Comminges; Grand von Spanien erster Classe; Großkreuz der königlich Spanischen Orden von Carlos III., San Fernando und San Hermenegildo, Ritter von Sant Jago, Großkreuz des königlich französischen Sanct Ludwig- und des königlich [331] Neapolitanischen Sanct Ferdinand-Ordens; Malteser-Ritter; Präsident der königlichen Junta, General-Lieutenant und commandirender General der königlichen Fußgarde; General-Capitain des Fürstenthums Catalonien und oberster Chef sämmtlicher Gerichtsbehörden in demselben; wirklicher Kämmerer und Staatsrath Sr. Cathol. Majestät, beständiger Regidor von Palma.
Empfohlene Zitierweise:
Felix Lichnowsky: Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839. Zweiter Theil. Johann David Sauerländer, Frankfurt am Main 1841, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_LICHNOWSKY_E_2_324.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)