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Vermögensgewinn ziehen können und dürfen. Obwohl die Society am Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen kann, wird diese dennoch hinreichen, um die Jewish Company dem Judenvolke gegenüber zu beglaubigen. Die Jewish Company wird nur dann Aussicht auf geschäftliches Gelingen haben, wenn sie von der Society sozusagen gestempelt ist. Es wird sich also nicht eine beliebige Gruppe von Geldleuten zusammenthun können, um die Jewish Company zu bilden. Die Society wird prüfen, wählen und bestimmen, und sich vor der Gutheissung der Gründung alle nöthigen Bürgschaften für die gewissenhafte Durchführung des Planes sichern lassen. Experimente mit ungenügenden Kräften dürfen nicht gemacht werden, denn diese Unternehmung muss gleich auf den ersten Schlag gelingen. Das Misslingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus compromittiren und sie vielleicht für immer unmöglich machen.

Die drei Formen der Aufbringung des Actiencapitals sind: 1. durch die Hochbank; 2. durch die Mittelbank; 3. durch eine volksthümliche Subscription.

Am leichtesten, schnellsten und sichersten wäre die Gründung durch die Hochbank. Da kann das erforderliche Geld innerhalb der bestehenden grossen Finanzgruppen durch einfache Berathung in kürzester Zeit aufgebracht werden. Es hätte den grossen Vortheil, dass die Milliarde – um bei diesem einmal angenommenen Betrage zu bleiben – nicht sofort gänzlich eingezahlt werden müsste. Es hätte den weiteren Vortheil, dass auch der Credit dieser mächtigen Finanzgruppen der Unternehmung zuflösse. In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele ungenützte politische Kräfte. Von den Feinden des Judenthums wird diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt, wie sie sein könnte, aber thatsächlich nicht ist. Die armen Juden spüren nur den Hass, den diese Finanzmacht erregt; den Nutzen, die Linderung ihrer Leiden, welche bewirkt werden könnte, haben die armen Juden nicht. Die Creditpolitik der grossen Finanzjuden müsste sich in den Dienst der Volksidee stellen. Finden aber diese mit ihrer Lage ganz zufriedenen Herren sich nicht bewogen, etwas für ihre Stammesbrüder zu thun, die man mit Unrecht für die grossen Vermögen Einzelner verantwortlich macht, so wird die Verwirklichung dieses Planes Gelegenheit geben, eine reinliche Scheidung zwischen ihnen und dem übrigen Theile des Judenthums durchzuführen.

Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert, einen so enormen Betrag aus Wohlthätigkeit zu beschaffen. Das wäre eine thörichte Zumuthung. Die Gründer und Actionäre der Jewish Company sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen, und sie werden sich im vorhinein davon Rechenschaft geben


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Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_50.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)