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stellt, bewirken, daß ihre Haltung und Erhaltung dem Pfleger Schwierigkeiten verursacht. Sucht man diese Eidechse im Behälter die gewohnte Heimstätte nicht mindestens einermaßen zu ersetzen, so wird man nicht viel und nicht lange Freude an ihr haben, sie vielmehr sehr bald eingehen sehen. Kann man sie nicht in ein Freiland-Terrarium bringen, wo sie sich natürlich wohler fühlt als in der Stube, so weise man ihr einen möglichst geräumigen Zwinger an, dessen Boden wenigstens zu einem Teil mit Farnkrautbüschen u. dgl. bepflanzt und mit Moosrasen (Waldmoos, Selaginellen) überzogen ist. Der Pflanzenwuchs muß oft mit Wasser besprengt werden, denn ich habe Waldechsen besessen, die nur dann auf dem Moos sich sonnten, wenn dasselbe von oben angefeuchtet war, während sie sonst unter demselben sich lagerten. Unbedingt nötig ist auch ein, wenngleich nicht tiefes, so doch umfangreiches Wasserbecken, das ich in der Weise zu einem Miniatursumpf umwandele, daß ich innen am Rande herum Wurzelstöcke von Grasstauden oder Heidekraut oder auch Torfmoos einlege: oft und gern verweilen die bescheidenen Geschöpfe in diesem nassen Gebiete und lassen nur den feinen Kopf oder den Vorderkörper aus dem Gewurzel hervorgucken. Außerdem habe ich immer darauf geachtet, daß die eine Partie des Terrariums beschattet ist, was man mittelst Vorhänge und Fenstervorsetzer leicht erreichen kann. Mehr als andere ihres Geschlechts macht sie ihr Gedeihen von dem Abhalten eines ungestörten Winterschlafes abhängig; unterbleibt dieser, so geht sie sicher zugrunde, denn die zur Winterzeit in dem geheizten Zimmer befindliche trockene Luft erträgt sie keineswegs, und daher schreiben sich die Klagen bewährter Pfleger, daß sie die Waldeidechse im Winter nicht zu erhalten vermochten. Ernährt wird die vivipara mit Regenwürmern, welche sie ja, was schon berührt wurde, von ihrem Freileben genügend her kennt. Mit Ueberraschung sieht man, so sagt auch Leydig, wie das kleine Tier sich auf ganz große Würmer stürzt und mit ihnen fertig zu werden weiß. In Ermangelung von Regenwürmern erfüllen Mehlwürmer, Asseln, glatte Raupen, vielleicht auch kleine Nachtschnecken,[sic] Spinnen usw. denselben Zweck. Draußen in der Natur setzt sich ihr Speisezettel vorwiegend aus Würmern, Tausendfüßlern und Insektenlarven zusammen, und den Beobachtungen Ad. Frankes zufolge holt sie sich die letzteren aus dem Wasser. Der Jagd auf fliegende und hüpfende Kerbtiere liegt sie wohl in nur seltenen Fällen ob, da sie selbst weiß, daß ihr die Gewandtheit im Klettern und Springen mangelt, um jene zu einer erfolgreichen gestalten zu können. Jeitteles spricht in seinem „Prodromus“ die Vermutung aus, daß die Waldeidechse auch Ameisen verzehre: „Die Hauptnahrung dieser (d. h. der jungen) und der erwachsenen Individuen scheint in kleinen Ameisen zu bestehen. Wenigstens hielten sich die zwei Exemplare, und auch viele von den großen, vorherrschend in und bei den zahlreichen Ameisenbau-Hügeln auf, welche das obere Viertel des Tökes’er Berges (bei Kaschau in Ober-Ungarn, 3500 Fuß hoch) überziehen.“ Da Jeitteles indeß keine näheren Untersuchungen über diesen Gegenstand angestellt hat, so bleibt die Ansicht, zu der er hinneigt, eben nur Vermutung; ein von mir zwecks Prüfung gemachter Versuch ergab ein negatives Resultat, indem die Eidechsen, denen ich Ameisen anbot, keine derselben verzehrten.

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Bruno Dürigen: Vom Wesen der Waldeidechse. Hermann Schütz, Berlin 1928, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:D%C3%BCrigen_%E2%80%93_Waldeidechse_(Das_Aquarium,_1928).pdf/5&oldid=- (Version vom 14.9.2022)