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Loggia II.




Wort und That mussten zusammenwirken, um den Boden zu gewinnen, auf welchem die Kunst ihre Saaten bauen konnte. Cornelius hält sich, diesen Ausspruch zu bewahrheiten, an zwei geschichtliche Hauptbegebenheiten der älteren deutschen Zeit, die er in der

Kuppel (Tafel 44)

schildert. Karl Martel, (d. i. der Hammer) Sohn des Pipin von Heristal, nach dessen Tode Major Domus der Austrasier und bald unbeschränkter Herrscher derselben, führte viele Kriege gegen verschiedene noch heidnische deutsche Stämme; vornehmlich aber zog er ins Feld gegen die von Spanien her ins Frankenreich eingefallenen Mauren, deren siegreicher Vorgang das Christenthum mit Untergang bedrohte, und schlug sie 732 bei Poitiers derart aufs Haupt, dass ihrem Eindringen für immer Grenzen gesetzt waren, das Christenthum von ihnen nicht mehr bedroht werden konnte. Hartnäckig widersetzte sich der Verbreitung des Christenthums das Volk der Thüringer, Sachsen, Katten und Friesen. Ihnen predigte, unter besonderem Schutze von Karl Martell, Bonifacius, ein englischer Benedictinermönch, Winfried mit seinem eigentlichen Namen, um 718 bis 723 das Evangelium und ward so zum „Apostel der Deutschen.“ Sein Schüler Lullus begleitete ihn auf seinen Bekehrungsreisen und leistete ihm Beistand bei der Taufe der neuen Christen, deren Zahl schon mehrere Tausende betrug, als er am 5. Juni 755 mit seinen Begleitern von einem Haufen Heiden überfallen und getödtet wurde.

Das begonnene Werk der Christianisierung der deutschen Völker kam nicht mehr ins Stocken, zumal da es der grosse Frankenkönig zu seiner heiligsten Lebensaufgabe gemacht. Cornelius zeigt uns in der

Lunette (Tafel 45)

den Kaiser Carl den Grossen auf dem Thron als Schutzherr aller geistigen Bestrebungen; denn das hatte derselbe klar erkannt, dass ohne allseitige Bildung das Christenthum weder gewonnen noch erhalten und gefördert werden könne. Er zog die berühmtesten Gelehrten aller Fächer an seinen Hof, den Grammatiker und Theologen Alcuin aus York, den Longobarden Warnefried (Paulus Diaconus), seinen nachmaligen Geheimschreiber Eginhard, u. A. m.; er gründete Bisthümer, erbaute Kirchen und Paläste, er sammelte Volkslieder und Gesänge von alten Heldenthaten, und berief Singmeister; förderte das Studium der Astronomie und sorgte für Schulbildung, sowie für Sammlung und Verbesserung von Gesetzbüchern. Solchen Saamen des deutschen Geisteslebens streute er aus; aber rasch und reich erblühte es nicht; wie die Bilder der italienischen Kunstentwickelung aus der Zeit der Gründung des Campo santo andeuten wollen, die als Widerspiel derselben die Seitenräume einnehmen.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/52&oldid=- (Version vom 31.7.2018)