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Loggia IX.


Leonardo da Vinci.




„Wenn einen Menschen die Natur erhoben,     
Ist es kein Wunder, wenn ihm viel gelingt.“     

Goethe.          

Leonardo war der natürliche Sohn des Ser Piero, Notars der Signoria von Florenz, geb. 1452 in Vinci, einem kleinen Schloss im unteren Val d’Arno. – Vasari leitet seine Lebensbeschreibung mit den Worten ein: „Bisweilen vereinigt sich wie ein überschwängliches und übernatürliches Geschenk in einem einzigen Körper Schönheit, Liebenswürdigkeit und Kunstgeschick so herrlich, dass jede seiner Handlungen göttlich erscheint, alle anderen Sterblichen hinter ihm zurückbleiben und es sich deutlich offenbart, was er leiste, sei von Gott gespendet, nicht aber durch menschliche Kunst errungen.“ Kaum wäre es möglich, die Universalität Leonardos sprechender und bündiger zu bezeichnen, als Cornelius in der

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gethan, wo er durch ihn sich an den Sonnengott erinnern lässt, der über Erd’ und Meer getragen im Zodiacus das ganze Firmament überschaut. Während aber lächelnde Genien ihm den ersten Labetrunk bringen, und heitere Naturbilder ihn umspielen, versenkt sich sein Blick in die Seelenzustände der Menschen und er erkennt deren Abhängigkeit in der Beschaffenheit ihres Blutes und seines Kreisumlaufs. Er sieht im sanguinischen Temperament die Quelle einer heiteren Weltansicht und lebensfrohen Genusses, wie sie sich in Liebe und Wein, in der Vermählung von Bacchus mit Ariadne darstellt; im cholerischen Temperament das feurige und selbst unbesonnene, zum Untergang führende Handeln, wie es Semele ins Verderben geführt, als sie Jupiter in seiner Herrlichkeit zu sehen begehrte und in seinen Flammen verbrannte; die kalten Froschnaturen dagegen, die kaum einer lebhaften Empfindung fähig sind, die Phlegmatiker, vergleicht er den trägen Sumpfbewohnern, die einst der Latona das Wasser getrübt, womit sie den Durst ihrer Kinder stillen wollte; und für das melancholische Temperament lässt er den Gott der finstern Unterwelt eintreten, und den Todesboten zur Proserpina senden.

Dem Maler, zumal wenn er langsam malt und im Ausführen sich gar nicht genug thun kann, zum Bildniss zu sitzen, gehört bekanntlich nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens, und lässt den Sitzenden darum leicht in einem wenig vortheilhaften Lichte erscheinen. Diess zu vermeiden, namentlich als er für Francesco del Giocondo das Bildniss der Monna Lisa, seiner schönen Gattin, malte, „brauchte er, (wie Vasari erzählt) die Vorsicht, dass während sie ihm sass, immer Jemand zugegen sein musste, der sang, spielte und Scherz trieb, damit sie fröhlich bleiben und nicht ein trauriges Aussehen bekommen möchte.“

Leonardo vereinigte bald eine ansehnliche Zahl talentvoller Schüler um sich, die er die Kunst in aller Weise auf das gründlichste zu studieren und auszuüben anhielt. Anatomie bis auf das Skelett mussten sie lernen; chemische Kenntnisse für Farbenbereitung durften ihnen nicht fremd bleiben; unerlässlich war das Zeichnen nach der Antike, und mit der Wandmalerei mussten sie Bescheid wissen. Ausführlich trug er ihnen die Gesammtaufgabe der Kunst, wie er sie niedergeschrieben in seinem Tractat über die Malerei vor, und Cornelius lässt uns sie sehen, wie sie seine Lehren niederschreiben, oder danach arbeiten.

Von seinen Schülern führt er uns nur zwei im Bildniss vor: Bernardo

Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)