Seite:Cornelius Loggien-Bilder München.pdf/28

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Loggia II.


Die Kreuzzüge.




Die Jahrhunderte, welche auf den Untergang der Bildung des Alterthums folgten, gleichen in vieler Beziehung einer Nacht, die nicht entfernt auf einen kommenden Tag voll Licht und Glanz hoffen liess. Vor Allem war es die Kunst, die anfangs noch – wenn auch matt – beschienen vom Schimmer der untergegangenen Sonne des Alterthums, allmählich alle schöpferischen Kräfte verloren, alle Kenntniss von Form und Maass der Gestalten eingebüsst, kaum noch ein wenig technische Geschicklichkeit bewahrt hatte. Nur im Orient hatten die Ueberlieferungen des Alterthums einiges Leben sich erhalten. In unerwarteter Weise sollte dem Abendlande dort ein neues Licht aufgehen.

Kuppel (Tafel 3)

Zwischen Waffen und im Schatten der Siegespalme setzt die Muse der Geschichte ihren Fuss auf das rollende Rad der Begebenheiten und verzeichnet in ihrem Buche die gewaltige kirchlich religiöse Bewegung, welche zu Ende des 11. Jahrhunderts das ganze Abendland ergriffen, dass es in grossen Heeresmassen nach dem Orient zog, das heilige Grab Christi den Händen der Ungläubigen zu entreissen. Und der Erste, dessen Namen sie, mit Ruhm bekränzt, einträgt in ihr Buch, ist Papst Urban II., der auf der Kirchenversammlung zu Clermont 1095 das Kreuz predigend eine allgemeine Kampfbegeisterung hervorgerufen, die ein Heer von 600,000 M. unter Gottfried von Bouillon, Raimund von Toulouse, Hugo von Vermandois, Robert von der Normandie, Robert von Flandern, Stephan von Blois und Boemund von Tarent nach dem gelobten Lande und zur Befreiung Jerusalems und des heiligen Grabes führte. [In den Kranz, der die Muse der Geschichte umgibt, hat Cornelius neben P. Urban II. die Namen von anderen Heroen der Kreuzzüge eingetragen, von denen Boemund und Tancred noch dem ersten angehören, Friedrich von Schwaben, Johann von Brienne, Adolf von Bayern, Bernhard vom Clairvaux, Leopold von Oesterreich, Conrad von Montferrat und Friedrich II. erst später in der Geschichte auftreten].

Nach dem Verlust von Edessa an die Saracenen 1142 war das neue christliche Königreich von Jerusalem in grosser Gefahr. Da predigte der fromme Mönch, Bernhard von Clairvaux im Abendlande das Kreuz, und seiner Beredsamkeit gelang es, Alt und Jung, Arm und Reich, Hoch und Niedrig unter die Waffen zu rufen und zu Opfergaben für einen neuen Kreuzzug zu bestimmen, dessen Erfolglosigkeit übrigens einen dritten hervorrief, in welchem Kaiser Friedrich Barbarossa 1189 die entscheidende Schlacht von Iconium schlug.

So unverträglich Krieg und Kunst zu sein scheinen, so enthält doch schon die griechische Mythologie ein Sinnbild für ihre enge Verbindung, indem sie den Centauren die doppelte Aufgabe zutheilt, die Jugend in den Waffen zu üben und in der Tonkunst zu unterrichten.

Und hier erscheint im Siegeskranz und von Friedenspalmenzweigen umgeben, mit der leuchtenden Fackel der Morgenstern, eine neue Zeit verkündend, in welcher zuerst nach langer, dunkler und dumpfer Nacht, das christliche Bewusstsein erwacht und zündende Kraft gewonnen.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)