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Der Corridor vor den Gemälde-Säälen an der Südseite der Pinakothek ist in 25 Loggien abgetheilt, ausgeschmückt mit Fresken nach den Entwürfen von Peter v. Cornelius, zu denen die Geschichte der neuern Malerei ihm den Stoff geliefert. Die eine Hälfte derselben ist der italienischen, die andere der deutschen Kunst gewidmet, an welche letztere sich die französische mit einigen wenigen Namen anschliesst. Zu jeder Loggia gehört ein Kuppelgewölbe, eine Wand mit halbkreisrundem Abschluss nach oben und einem Fenster gegenüber, von gleicher Dimension und Form. Für den Bilderschmuck ist die Kuppel und der halbkreisrunde Abschluss der Wand (die Lunette) – leider nicht die grosse, der Betrachtung wie der Ausführung viel günstigere Fläche darunter – angewiesen worden.

Cornelius sah die Lösung seiner Aufgabe nicht in der Illustration einer kritisch unantastbaren Kunstgeschichte; zu Allegorien und Andeutungen genöthigt, wo er Geist und Richtung eines Meisters, einer Schule bezeichnen wollte, musste seine Auffassung eine poetische sein; sein Werk ist ein kunstgeschichtliches Gedicht in Bildern und muss vom poetischen Standpunkt aus betrachtet und beurtheilt werden; und in Bezug auf Zeichnung darf man nicht ausser Acht lassen, dass wir nur Entwürfe vor uns haben, deren gründliche Durchbildung der Ausführung im Grossen zugedacht war. Dagegen ist ein Reichthum von Phantasie und geistvollen, tiefsinnigen Gedanken, eine Fülle von Schönheit, Anmuth und Heiterkeit, verbunden mit dem klarsten Verständniss der grossen Meister der Kunst, ihrer Bestrebungen und Leistungen in diesen unscheinbaren Blättern niedergelegt, so dass sie vielleicht gerade jetzt, wo alles Ideale als Lüge verschrien, die platte Wirklichkeit als alleinige Wahrheit gepriesen wird, wenigstens für Alle, die noch etwas anderes von der Kunst erwarten, als Sinnenkitzel und Sinnentäuschung, wie ein Mannaregen in der Wüste als rechte erquickende Kost dargeboten werden.

Die Architektur der Pinakothek kommt dem in ihr angewandten Prinzip der chronologischen Anordnung der Gemälde nicht entgegen. Wohl sind die Schulen geschieden, auch geht man in den Säälen von frühern zu spätern Werken fort; der Rückweg aber durch die Cabinette führt von spätern Arbeiten zu frühern und frühesten, wenn man nicht auf einen Umweg, aber immer vom Ende zum Anfang, in das erste Cabinet gelangen will. In diesen Cabinetten, die an der Nordseite ihrer architektonischen Anlage nach den Loggien an der Südseite entsprechen, sind deutsche und italienische Gemälde derart geschieden, dass die Reihenfolge derselben am Ostende mit der deutschen Abtheilung beginnt, welcher die ersten 17 Cabinette gewidmet sind, während die 6 folgenden italienische Gemälde, dort wie hier nach der Zeitfolge geordnet, enthalten, so dass späteste deutsche und früheste italienische Werke unmittelbar neben einander stehen.

Ganz anders ist die Anordnung der Loggienbilder. Sie beginnen mit der italienischen Kunst in Osten, mit der deutschen in Westen und gipfeln von Stufe zu Stufe zu höherer Entwickelung gelangend wo sie in der Mitte, in der dreizehnten Loggia, sich berühren, im Vertreter der höchsten Vollendung, in Raphael. Geht man aber von Osten her den ganzen Corridor entlang, so muss man, emporgestiegen auf der italienischen Seite zur Vollendung, auf der deutschen wieder zu den Anfängen hinabsteigen, wenn man nicht vorzieht, auf einem Umweg zur Thüre der Westseite zu gelangen. Einiges

Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)