Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 066.jpg

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ihr mein Herz entgegen – und ach! – da der vorüber war – Mitleiden – innige, tiefe Erbarmung flößte sie mir ein: aber Liebe – sieh! es war, als wenn mir in der warmen Fülle der Freuden, die kalte Hand des Todes über’n Nacken führe. Ich strebte munter zu seyn, wieder vor denen Menschen, die mich umgaben, den Glücklichen zu spielen, es war alles vorbey, alles so steif, so ängstlich! Wären sie weniger außer sich gewesen, sie müstens gemerkt haben.

Carlos. Hölle! Tod! und Teufel, und du willst sie heurathen?

Clavigo. (steht ganz in sich selbst versunken, ohne zu antworten)

Carlos. Du bist hin! verlohren auf ewig. Leb wohl, Bruder! und laß mich alles vergessen, laß mich mein einsames Leben noch so ausknirschen, über das Schicksal deiner Verblendung. Ha! das all all! sich in den Augen der Welt verächtlich zu machen, und nicht einmal dadurch eine Leidenschaft, eine Begierde befriedigen, dir muthwillig eine Krankheit zuziehen, die, indem sie deine innern Kräfte untergräbt, dich zugleich dem Anblick der Menschen abscheulich macht.

Clavigo. Carlos! Carlos!

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_066.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)