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in der Welt ist. Sie soll artig seyn, angenehm, witzig! – Wer wird darum eine Frau nehmen? das vergeht so in den ersten Zeiten des Ehestands. Ach! sagt einer, sie soll schön seyn, reizend, ausnehmend schön. – Da ist’s zu begreifen, sagt ein anderer –

Clavigo. (wird verwirrt, ihm entfährt ein tiefer Seufzer) Ah!

Carlos. Schön? O! sagt die eine, es geht an! Ich hab sie in sechs Jahren nicht gesehn, da kann sich schon was verändern, sagt eine andere. Man muß doch Acht geben, er wird sie bald produciren, sagt die dritte. Man fragt, man guckt, man geht zu gefallen, man wartet, man ist ungeduldig, erinnert sich immer des stolzen Clavigos, der sich nie öffentlich sehen lies, ohne eine stattliche, herrliche, hochäugige Spanierin im Triumph aufzuführen, deren volle Brust, ihre blühenden Wangen, ihre heißen Augen, all, alles die Welt rings umher zu fragen schien: bin ich nicht meines Begleiters werth? und die in ihrem Uebermuth den seidnen Schlepprock so weit hinten aus in Wind segeln ließ, als möglich, um ihre Erscheinung ansehnlicher und würdiger zu machen? – Und nun erscheint der Herr – und allen Leuten versagt das Wort im Munde – kommt angezogen mit seiner trippelnden,

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_064.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)