Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 062.jpg

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Carlos. Lieber Freund, brich du einer Pflanze das Herz aus, sie mag hernach treiben und treiben unzählige Nebenschößlinge, es giebt vielleicht einen starken Busch, aber der stolze königliche Wuchs des ersten Schusses ist dahin. Und denke nur nicht, daß man diese Heurath bey Hofe gleichgültig ansehen wird. Hast du vergessen, was für Männer dir den Umgang, die Verbindung mit Marien mißriethen, hast du vergessen, wer dir den klugen Gedanken eingab, sie zu verlassen? Soll ich dir sie an den Fingern herzehlen?

Clavigo. Der Gedanke hat mich auch schon gepeinigt, daß so wenige diesen Schritt billigen werden.

Carlos. Keiner! Und deine hohen Freunde sollten nicht aufgebracht seyn, daß du, ohne sie zu fragen, ohne ihren Rath dich so gerade zu hingegeben hast, wie ein unbesonnener Knabe auf dem Markte sein Geld gegen wurmstichige Nüsse wegwirft?

Clavigo. Das ist unartig, Carlos, und übertrieben.

Carlos. Nicht um einen Zug. Denn daß einer aus Leidenschaft einen seltsamen Streich macht, das laß ich gelten. Ein Kammermädchen

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_062.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)