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Carlos. Träume! So gewiß ich den Thurn erreiche und erklettere, wenn ich darauf losgehe, mit dem festen Vorsatze, nicht abzulassen bis ich ihn erstiegen habe, so gewiß hättest du auch alle Schwürigkeiten überwunden. Und hernach wär mir für das übrige nicht bang gewesen. Du hast kein Vermögen von Hause, desto besser! das hätte dich auf die Erwerbung eifriger, auf die Erhaltung aufmerksamer gemacht. Und wer am Zoll sitzt, ohne reich zu werden, ist ein Pinsel. Und dann seh ich nicht, warum das Land dem Minister nicht so gut Abgaben schuldig ist, als dem König. Dieser giebt seinen Namen her und jener die Kräfte. Wenn ich denn mit all dem fertig war, dann sah ich mich erst nach einer Parthie für dich um. Ich sah manch stolzes Haus, das die Augen über deine Abkunft zugeblinkt hätte, manches der reichsten, das dir gern den Aufwand deines Standes verschaft haben würde, nur an der Herrlichkeit des zweyten Königs Theil nehmen zu dürfen – und nun –

Clavigo. Du bist ungerecht, du setzest meinen gegenwärtigen Zustand zu tief herab; und glaubst du denn, daß ich mich nicht weiter treiben, nicht auch noch mächtigere Schritte thun kann?

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_061.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)