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ich in glücklicher Einschränkung zu Ihren Füssen zubrachte, da wir eine Reihe von blühenden Aussichten vor uns gelegt sahen. – Und nun, warum wollten Sie nicht mit mir alles erfüllen, was wir hoften? Wollen Sie das Glück des Lebens nun nicht ausgenießen, weil ein düsterer Zwischenraum sich unsern Hofnungen eingeschoben hatte? Nein, meine Liebe, glauben Sie, die besten Freuden der Welt sind nicht ganz rein, die höchste Wonne wird auch durch unsere Leidenschaften, durch das Schicksal unterbrochen, wollen wir uns beklagen, daß es uns gegangen ist wie allen andern, und wollen wir uns strafbar machen, indem wir diese Gelegenheit von uns stossen, all das Vergangene herzustellen, eine zerrüttete Familie wieder aufzurichten, die heldenmüthige That eines edlen Bruders zu belohnen, und unser eigen Glück auf ewig zu befestigen? – Meine Freunde, um die ich’s nicht verdient habe, meine Freunde, die es seyn müssen, weil Sie Freunde der Tugend sind, zu der ich rückkehre, verbinden Sie Ihr Flehen mit dem meinigen. Marie! (er wirft sich nieder) Marie! Kennst du meine Stimme nicht mehr? vernimmst Du nicht mehr den Ton meines Herzens? Marie! Marie!

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_052.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2019)